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Verpackungsschäume aus Algen und Schüttboxen aus Zuckerrohr?

Veröffentlicht am 20.01.2023

Nachhaltigkeit ist in aller Munde und auch in der Automobilindustrie wächst das Bewusstsein. Hier haben Erstausrüster und Zuliefrer die Möglichkeit ihre Verpackungsplanung umweltfreundlicher zu gestalten – durch das Wiederverwenden von Material, seinen optimierten Einsatz sowie durch Recycling. Auch neue Biokunststoffe zeigen vielversprechende Ansätze, sind aber noch Zukunftsmusik.


Nachhaltigkeit in der Verpackungsplanung

Schnelle Verbesserungen können OEM und OEMS mit einer innovativen Konzeption von Behältern und Inlays erzielen. Endkunden als Verbraucher interessieren sich schon länger für die Art und Weise, wie Waren verpackt sind, um einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Im Bereich der Automobilindustrie ist das Thema der nachhaltigen Verpackungsplanung dagegen noch relativ neu, doch der mit der Nachhaltigkeit einhergehende CO2-Fußabdruck wird immer relevanter. Die Industrie hat hier Beratungsbedarf, um Knowhow aufzubauen und neue Ideen bzw. Konzepte zu entwickeln, da es erst wenig Informationen gibt. Der Status Quo in der Verpackungsplanung ist dabei folgender: Für Übersee-Transporte zu anderen Werken werden überwiegend Verpackungen aus Pappe und Holz, wenige aus Stahl eingesetzt. Für Landtransporte via LKW kommen Kunststoff- und Stahlbehältnisse zum Einsatz.

Reuse, Reduce and Recycle

Für mehr Nachhaltigkeit in der Verpackungsplanung greifen nun drei Ansätze: Reuse, reduce, recycle – wiederverwerten, reduzieren und recyceln.

  1. Reuse ist bereits gängige Praxis und bedeutet den geringsten Aufwand für OEM. Wichtig ist dabei die Qualität der Verpackungen und Behälter. Ist die von Anfang an hoch, halten sie länger und es werden weniger Reparaturen bzw. Neubeschaffungen notwendig. Hochwertige Verpackungen schützen darüber hinaus die Teile im Inneren besser und es kommt zu weniger Ausschluss – auch hier greift die Nachhaltigkeit.
  2. Reduce als Konzept ist neuer: Oft kommen zum Beispiel Verpackungen aus EPP-Formen, die genau den Bauteilen angepasst werden, zum Einsatz. Beim Derivat- bzw. Fahrzeugwechsel, auch wenn sich Bauteile nur im Millimeter- oder Zentimeterbereich verändern, müssen diese Verpackungen weggeworfen werden, da die Passform nicht mehr gegeben ist. An ihrer Stelle kommen nun mitunter Textiltaschen oder Kissen zum Einsatz. Diese lassen sich länger, weil bauteilungebundener nutzen – auch über Derivatwechsel hinweg.
  3. Auch das Recycling ist an der Tagesordnung – viele Verpackungen aus Pappe, Holz, Kunststoff und Stahl lassen sich gut wieder verwerten. Wichtig ist, dass OEM und ihre Zulieferer auf geschlossene Kreisläufe achten. Wird eine Recyclingquote von 50 Prozent erreicht, ist es rechnerisch möglich aus einem Kilo Rohstoff zwei Kilogramm Kunststoff zu erhalten. Wird das Verfahren auf 95 Prozent Recyclingquote optimiert, können aus einem Kilogramm Grundmaterial sogar 20 Kilogramm Nutzmaterial gemacht werden.

Biologische Verpackungen – aus Gras, Algen und Pilzen

Da Kunststoff auch bei einem hohen Recyclinganteil immer noch aus Erdöl hergestellt wird, wird er niemals 100 Prozent nachhaltig sein. Eine Lösung könnten biologisch abbaubare Verpackungen aus neuen Rohstoffen sein. Biokunststoffe sind für die Automobilindustrie zum Beispiel interessant, um den styroporartigen Kunststoff EPP, der für Groß- und Kleinladungsträger verwendet wird, abzulösen. Er wird etwa für die passgenaue Aufnahme von Bauteilen verwendet. Eine Biokunststoff-Alternative kann aus Mais, Weizen, Zuckerrohr oder Abfällen wie Schalenhülsen bestehen. Abhängig vom Material können 0,5 bis 5 Tonnen Kunststoff pro Hektar Anbaufläche gewonnen werden. Experimente laufen darüber hinaus mit Verpackungen aus Pilzen oder Algen. Aber auch Pappe aus neuen Rohstoffen wie Gräsern ist denkbar. Diese Kunststoffalternativen sind in der Automobilindustrie aktuell aber nur begrenzt anwendbar: Biokunststoffe sind noch zu teuer, nicht in großer Zahl verfügbar und sie eignen sich nicht für jeden Anwendungsfall: Ersatzteile müssen zum Beispiel über Jahre hinweg gelagert werden, was eine sich selbst zersetzende Verpackung ausschließt. Teile mit derartigen Verpackungen können also nur begrenzt, etwa in Transporten der Überseeversorgung zum Einsatz kommen.

Verpackungen flexibler konzipieren

Eine vielversprechende Möglichkeit für mehr Nachhaltigkeit besteht in der Anpassung der Verpackungsplanung. So ist das langlebige und stabile Material Stahl kaum zu ersetzen – Aluminium als Substitut benötigt bei der Herstellung mehr Energie. Stahlbehälter werden zum Beispiel für Stoßstangen, Schwellern und Karosserieteilen sowie Scheiben als sogenannte Umbehälter gebaut. Hier ist es möglich, diese Stahlbehälter in Leichtbauweise zu konzipieren, etwa Bodenkonstruktionen aus weniger Material zu entwerfen. So werden Rohstoff und Gewicht gespart, in der Folge verbrauchen die Laster beim Transport weniger Sprit und all das wirkt sich positiv auf den CO2-Verbrauch aus.

In den Stahlgitterboxen befinden sich Inlays aus Gummi oder Kunststoff, um die einzelnen Teile aufzunehmen. Auch bei diesem Innenleben gibt es Optimierungspotenziale, indem die Inlays leichter austauschbar oder flexibler designt werden, um nicht den gesamten Behälter neu bauen zu müssen. OEMs in den USA experimentieren beispielsweise mit Inlays in Form von Schaumstoffkissen. Als nicht formgebundene Teile können sie Varianten mit Abweichungen oder Bauteile mit unterschiedlichen Geometrien aufnehmen, da sie keine 100-prozentigen Negativformen der Bauteile sind. So können zum Beispiel Stoßfänger, die sich nach Facelifts teilweise nur gering – mittel verändert haben, auch weiter ohne passgenaue Ladungsträger sicher transportiert werden. Da hier sogar verschiedene Baureihen im selben Ladungsträger aufgenommen werden können, müssen über diese verschiedenen Baureihen in Summe weniger Behälter gebaut und Puffer können reduziert werden.

Eine weitere innovative Möglichkeit sind beschichtete Textiltaschen aus Baumwoll- und Kunststoffgemischen, die passend für die Bauteile genäht werden. Sie sitzen ebenfalls nicht formgebunden und eignen sich für Ladungsträger wie Mittelkonsolen, Dekorleisten oder Seitenverkleidungen. Wichtig ist, dass sich die Verpackung nicht auf die Bauteile auswirkt und sie keinen Abrieb produziert. Solche Konzepte lassen sich in der Regel schnell umsetzen.

Um Wertschöpfungsketten nachhaltiger und fairer zu machen, können Auftraggeber darüber hinaus ihren Lieferanten bereits in den Angeboten Vorgaben zur Verpackungsplanung machen, zum Beispiel, den Recyclingzyklus einzuhalten. Optimierungsbedarf gibt es meistens: So ist Pappe zwar per se ein nachhaltiges Material, da sie aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz hergestellt wird. Noch besser ist es, wenn dieses aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt.

Die Effekte berechnen

OEM sollen und wollen ihren Beitrag zu Umweltfragen leisten. Doch nicht immer ist der Weg zum Ziel klar und viele wissen nicht, wie sie das Thema angehen sollen. Der Logistik- und Verpackungsexperte C-P-S Group hat nun eine Berechnungsmethode entwickelt, um das CO2-Äquivalent samt aller schädlichen Umweltgase von Verpackungen zu bestimmen. Sie wird aktuell in Pilotprojekten eingesetzt. Hersteller können darüber auch ermitteln, welche Mehrkosten und Einsparung mit einem leichteren, anderen oder recycelten Material erzielt werden können. Damit wird das Thema greifbarer und es entsteht Transparenz. C-P-S befindet sich im Aufbau einer Datenbank für eine nachhaltigere Verpackungsplanung – eine Übersicht neuer Materialarten sowie deren Vor- und Nachteile. Denn die Bandbreite wird größer und gern werben Unternehmen mit Nachhaltigkeit. Eine Datenbank kann dann dabei unterstützen, echte Nachhaltigkeit von Greenwashing zu unterscheiden.

Die Vorteile nachhaltiger Verpackungsplanung

Eine nachhaltige Verpackungsplanung bringt für OEM zum einen Kostenvorteile: Durch die Wiederverwendung von Behältern werden Ausgaben für die Entwicklung und Neubeschaffung gespart; werden die Verpackungen leichter, können LKW bis zum Erreichen der Gewichtsgrenze mehr transportieren, was CO2 und ebenfalls Geld spart. Neue Inlays wie Kissen oder Textiltaschen, die weiterverwendet und für unterschiedliche Bauteile eingesetzt werden können, benötigen weniger Puffer, was am Ende wieder einen Kostenvorteil darstellt. Zwar erfordert das Recycling von Behältern zunächst etwas mehr Aufwand, weil eine Inspektion notwendig wird. Dafür entfallen die Neukonstruktion mit Konzeptionierung und die Abnahmen der Behälter, die stets mit viel Aufwand, Personal und Reisen verbunden sind. Und nicht zuletzt stellt eine nachhaltige Verpackungsplanung auch einen Image-Faktor dar: OEM, die ihren CO2-Fußabdruck aktiv verringern, können damit werben – und das als negativ wahrgenommene Image von Verbrennern, aber auch E-Autos verbessern.

Fazit zur Nachhaltigkeit in der Verpackungsplanung

OEMs und OES haben einige Stellschrauben, um ihre Verpackungsplanung nachhaltiger zu gestalten: intelligente, neu gedachte Behälter, alternative Materialien und die drei großen R – Reuse, Reduce und Recycle. Damit profitieren sie von einem umweltfreundlicheren Image und können konkret Kosten sparen, da sich intelligente Behälter wiederholt auch für unterschiedliche Teile einsetzen lassen, was Geld für Neuentwicklungen, Anpassungen und Abnahmen spart.


Autoren: Ingmar Wunderlich, Leiter Logistik C-P-S Group
Kai Hofscheier, Senior Specialist Verpackungsplanung
Nadja Müller, IT-Journalistin für Wordfinder

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