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Pricing als Erfolgsfaktor im Ersatzteilmarkt

Veröffentlicht am 23.12.2019

Lange Zeit galt die Gewissheit, dass Wartungen und Reparaturen in der Vertragswerkstatt durchgeführt werden, meist sogar bei demjenigen Händler, der das Fahrzeug zuvor verkauft hat. Mittlerweile jedoch weichen Kunden zunehmend auf freie Werkstätten aus; Drittanbieter für Ersatzteile haben sich etabliert. Grund für den Wandel ist oft das Preisbewusstsein des Kunden, der Originalteile für vergleichsweise teuer, jedoch qualitativ nicht höherwertig erachtet. In fünf Thesen sollen mögliche Ansatzpunkte für Automobilhersteller und ihr autorisiertes Servicenetz dargestellt werden.Jenseits des Neu- und Gebrauchtwagenverkaufs bieten autorisierte Servicebetriebe der Automobilhersteller ein breites Spektrum im Aftersales-Bereich an. Dieses umfasst Services wie Reifenwechsel und den Verkauf von Zubehörteilen, basiert aber vor allem auf dem Wartungs- und Reparaturgeschäft. Teils unmittelbar mit diesem verknüpft, teils aber auch als wichtiges eigenständiges Standbein, bieten Händler die Versorgung mit Originalersatzteilen an. Doch der Konkurrenzkampf besonders um Ersatzteile wird immer stärker, sodass autorisierte Servicebetriebe und letztendlich auch die Automobilhersteller nach neuen Ansätzen suchen müssen, um gegen Drittanbieter und freie Werkstätten bestehen zu können.


Kundenloyalität, Preissensibilität und Preisimage: Konfliktpotenzial auf allen Seiten

War es in der Vergangenheit für die meisten Kfz-Halter üblich, zumindest in den ersten Jahren des Fahrzeuglebens ausschließlich Originalersatzteile zu verwenden, hat sich diese Haltung grundlegend verändert. Großhandelsmarken sowie kompatible No-Name-Produkte haben sich auf dem Markt etabliert und sind teilweise wesentlich günstiger als die Originale. Dadurch verschärft sich der Konkurrenzkampf seit einiger Zeit kontinuierlich und stellt den Ersatzteilhandel der Automobilhersteller zunehmend vor die Herausforderung, die eigenen Marktanteile zu halten respektive bestenfalls sogar noch zu steigern.

Eines der größten Probleme ist die abnehmende Loyalität der Kfz-Besitzer zu „ihrem Kfz-Händler“ oder auch nur zu einem Servicebetrieb der Automarke. Die Kundenkontaktpunkte zur Vertragswerkstatt haben deutlich abgenommen. Im 21. Jahrhundert geht die heutige Generation der Fahrzeughalter nicht mehr automatisch zum Autohaus oder zur Werkstatt der Eltern. Stattdessen informiert sie sich im Vorfeld und kauft ihre Fahrzeuge bei einem Anbieter ihrer Wahl. Diesem Verkäufer halten die Kfz-Besitzer jedoch tendenziell nicht auf Dauer die Treue. Spätestens nach Ablauf der Garantiefristen stellen die meisten Autohäuser einen deutlichen Abfall der Loyalität fest. In den ersten Jahren kommen die Kfz-Käufer noch häufig in die hauseigene Werkstatt, im Laufe der Zeit nimmt die Quote jedoch kontinuierlich ab. Einer der Gründe ist, dass bei den Kunden inzwischen eine gewisse Skepsis und häufig eine ausgeprägte Unzufriedenheit gegenüber den Preisen der Markenwerkstätten herrscht. Freie Werkstätten sind im Stundensatz in der Regel günstiger und bieten (Drittanbieter-) Ersatzteile zu deutlich niedrigeren Preisen an. Das Internet sorgt für Transparenz; Kunden haben die Möglichkeit, sich über die diversen Angebote der verschiedenen Werkstätten und über Teilepreise umfassend zu informieren.

Designschutz und Onlinehandel: Die Konkurrenz schläft nicht

Mussten die Automobilhersteller vor einigen Jahren die Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) im Vertrieb und Kundendienst akzeptieren, hat die Bundesregierung im Mai 2019 den Wegfall des Designschutzes sichtbarer Kfz-Ersatzteile beschlossen. Auch wenn diese für bereits vor der Änderung geschützte Modelle für 25 Jahre von der Gesetzesänderung ausgenommen sind, wird die Neuerung sukzessive eine Öffnung und damit eine weitere Wettbewerbsstärkung im Ersatzteilmarkt für wichtige Kfz-Komponenten nach sich ziehen. Dies würde eine Öffnung und damit eine weitere Wettbewerbsstärkung im Ersatzteilmarkt für wichtige Kfz-Komponenten nach sich ziehen. Etablierte Offline-Großhändler stehen bereits vor dem Problem, dass ihnen Onlinewettbewerber mit ihren zum Teil sehr aggressiven Preisstrategien Kunden abwerben. Hinzu kommt für Werkstätten und Ersatzteilhandel der verstärkte und vielschichtige Preisdruck der Versicherungen. Ihre Ausschreibungen von Reparaturpaketen suchen nicht zuletzt nach dem günstigsten Anbieter. Bekannten Werkstattbindungen auf Kundenseite, welche für Kunden attraktive Kasko-Rabatte versprechen, stehen preislich attraktive Anbieter der Reparaturleistung gegenüber.

Auch Leasingunternehmen und Großkunden haben eigene Wünsche nach Sonderkonditionen, begründet mit einer zuverlässigen Flottenstärke und dem damit stetigen Umsatzstrom in Richtung der Werkstätten. Weiterhin zeigen große Online-Plattformen erste Ansätze für eine neue Art der Kundenbindung, indem sie ihren Ersatzteilvertrieb und ihre Serviceangebote ausweiten. So vermitteln sie beispielsweise Termine und/oder liefern Ersatzteile direkt an die Werkstatt, sodass der Kunde auch abseits der Vertragswerkstatt keine Wartezeiten in Kauf nehmen muss und zunehmend „alles aus einer Hand“ erhält.

Diese Entwicklungen lassen sich in fünf Thesen zusammenfassen, die den bestehenden wie auch zukünftigen Preisdruck im Ersatzteilmarkt sowie mögliche Ansatzpunkte für das autorisierte Servicenetz, und somit auch für Automobilhersteller, widerspiegeln.

Fünf Thesen zur Entwicklung des automobilen Ersatzteilmarkts

These 1: Keine Entwarnung auf der Preisseite: Der Preisdruck im Kfz-Ersatzteilmarkt wird weiter zunehmen

Der zunehmende Preisdruck resultiert aus mehreren zuvor genannten Faktoren. Die Preisvorstellungen für Originalersatzteile lassen sich aufgrund sinkender Kundenloyalität, dem teuren Preisimage sowie der Konkurrenzangebote von Großhändlerersatzteilen und No-Name-Produkten immer schwieriger durchsetzen. Dennoch können Preis- und Mengenpotenziale vorhanden sein. Diese gilt es zu identifizieren, bevor sich ein Unternehmen aus dem Markt „herauspreist“ und ihn endgültig der Konkurrenz überlassen muss.

These 2: Eine Veränderung des Geschäftsmodells bietet große Chancen für die Marktanteile von OEMs

Nicht mehr das Fahrzeug, sondern die Funktionsfähigkeit desselben und der Kundennutzen stehen im Vordergrund. Serviceverträge, Wartungsverträge oder Reparaturverträge werden zum Beispiel direkt mit dem Fahrzeug verkauft. Es entstünde abweichend vom reinen Neu- und Gebrauchtwagenverkauf eine (vertraglich zeitlich festgelegte) Bindung an den OEM. Andere interessante Modelle wären unter anderem pay-per-use, wie es bereits Porsche und Volvo lanciert haben, und predictive maintenance, die vorausschauende und (gleichfalls vertraglich vereinbart) mit dem Händlernetzwerk verbundene Instandhaltung. Ähnliche Modelle wurden bereits erfolgreich beispielsweise im Softwarevertrieb eingeführt.

These 3: Signifikante Marktanteile lassen sich für OEMs weiterhin auf der over-the-counter-Ebene erzielen

OEMs bzw. autorisierte markengebundene Servicepartner können ihr Geschäft in puncto des Volumens ausweiten, dies jedoch zu deutlich niedrigeren Margen. Möglich ist dabei beispielsweise der Volumenausbau im Flottengeschäft und mit Partnern des freien Servicegeschäfts. Hier ist es grundlegend wichtig, Kannibalisierungseffekte im Ersatzteilmarkt zu vermeiden. Diese könnten mit Zweitmarken für günstigere Ersatzteile eingedämmt werden, wie es verschiedene Hersteller bereits getestet haben. Gegebenenfalls wären hier auch Kooperationen der Hersteller mit dem Großhandel denkbar, ebenso wie andere Vertriebsformen, z. B. Agentenmodelle.

These 4: Preispsychologische Aspekte und Preisimage gewinnen auch im Ersatzteilgeschäft immer stärker an Bedeutung

Häufig gilt tatsächlich, dass unabhängige Werkstätten deutlich günstiger als die OEM-gebundenen Werkstätten arbeiten können. Hingegen besteht auch ein Imageunterschied zwischen OEM und dem freien Teilemarkt. Ein positives Image des OEM könnte verstärkt mit kommunikativen Maßnahmen beispielsweise fokussiert auf das Ideal der Markentreue betont werden. Ein gleichsam sinnvoller Ansatz kann mit Paketlösungen in den Werkstätten ausgespielt werden, also Reparaturpaketen, die mit entsprechenden Ersatzteilen gebündelt angeboten werden.

These 5: Die Professionalisierung der Servicepartner vor allem auch hinsichtlich der Preisdurchsetzung und Ausschöpfung von Wachstumspotenzialen ist entscheidend

In erster Linie werden Servicepartner zu Prozessen, Einhaltung von Standards oder auch IT-Systemen geschult. Jedoch stehen Punkte wie das Erkennen von Wachstumspotenzial, Preisdurchsetzung oder differenziertes und kundenindividuelles Pricing selten in den Schulungsplänen. Auch die Rückgewinnung von Besitzern älterer Fahrzeuge als Werkstattkunden sowie Reaktionszeiten auf Marktveränderungen sind oft nur unzureichend reflektiert. In einer Strategie zur ganzheitlichen Professionalisierung sollte sich dies ändern.


Ein kurzer Blick in die Zukunft

Sicher ist, dass es sich für den automobilen Ersatzteilhandel lohnt, auf der Preisseite aktiv zu werden. Nicht alles lässt sich jedoch alleine mit Preissenkungen erreichen: Selten ergibt sich ein positiver Business Case, da das notwendige Zusatzvolumen nicht erreicht wird. Es gilt, Ansatzpunkte zu identifizieren, durch die sich die eigenen Marktanteile erhöhen und das eigene Wachstum fördern lassen. In Zukunft wird es zu weiteren signifikanten Änderungen kommen, insbesondere in Hinblick auf die Elektrifizierung, Shared Services bei Fahrzeugen und durch Automated Driving, also dem fahrerlosen Fahren. Es empfiehlt sich durchaus, bereits jetzt zu reagieren und das eigene Pricing inklusive der Betonung der jeweils eigenen Stärken und des entsprechenden Nutzens für den Kunden zu überdenken.

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