Deutsche Zulieferer immer internationaler / Jetzt mehr als 2.200 Auslandsstandorte weltweit / Großbritannien mit 4 Mrd. Euro wichtigster Exportmarkt für deutsche Automobilzulieferer in Europa
„Die Automobilindustrie steht vor dem größten Wandel seit der Erfindung des Automobils. Elektrifizierung und Automatisierung sind die bestimmenden Trends“, sagte Klaus Bräunig, Geschäftsführer des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), bei der Vorstellung des Branchenberichts Autozulieferer der Commerzbank in Stuttgart. „Wenn Zulieferer Schlüsseltechnologien entwickeln, können sie unverzichtbare Technologiepartner für etablierte und neue Player sein. Ohne Zulieferer geht nichts: Sie werden dann eine zentrale Rolle in diesem Wandel spielen“. Bräunig sagte weiter: „Verbrennungsmotoren und eigenhändiges Fahren werden auch in den nächsten Jahren das Straßenbild bestimmen. Zugleich bleibt es nur eine Frage der Zeit, wann der Markt für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, vor allem für Elektromobilität, durchstartet. Ebenso wird das automatisierte Fahren kommen, Schritt für Schritt. Die Zulieferer erkennen, wir müssen uns für diesen Wandel rüsten.“ Dafür seien Schnelligkeit und Flexibilität in Forschung und Entwicklung weiter zu erhöhen. Schon jetzt setzten die Unternehmen zunehmend auf Innovationsteams außerhalb der traditionellen F&E-Organisation, die teilweise wie in einem Startup arbeiteten. Beides werde sich künftig ergänzen.
Wandel der Mobilität bietet Zulieferern gute Zukunftschancen
Deutsche Zulieferer haben die Internationalisierung in den vergangenen Jahren stark vorangetrieben. Bräunig: „Die Unternehmen sind mit mehr als 2.200 Auslandsstandorten in fast 80 Ländern weltweit präsent. Die Zahl der Auslandsstandorte ist seit 2010 noch einmal stark gestiegen: um 42 Prozent in nur 5 Jahren.“ Insgesamt seien rund 650 neue Standorte außerhalb Deutschland entstanden. Das gehe aus der neuen VDA-Standortumfrage hervor. Die Internationalisierung sei inzwischen längst für mittelständische Zulieferer von ebenso strategischer Bedeutung wie für die schon globalen Konzerne, so Bräunig weiter. Auch die Zusammenarbeit mit den Fahrzeugherstellern gestalte sich heute wesentlich internationaler und globaler. Bis vor wenigen Jahren haben deutsche Zulieferer überwiegend mit deutschen Herstellern zusammengearbeitet – bei 80 Prozent ihrer Kooperationen. Bräunig: „Heute arbeiten unsere Zulieferer viel häufiger mit ausländischen OEMs zusammen.“ So ist – bei gewachsenen Märkten – der Anteil an Kooperationen mit deutschen OEM zwischen 2011 und 2014 auf 57 Prozent zurückgegangen. „Deutsche Zulieferer arbeiten insbesondere auch stärker mit US-amerikanischen Herstellern zusammen. Sie werden Schlüsselpartner für die gesamte, internationale Automobilindustrie“, sagte der VDA-Geschäftsführer.
Bräunig hält die Folgen des EU-Referendums in Großbritannien für Zulieferer genauso relevant wie für OEM: „Großbritannien ist der drittwichtigste Exportmarkt der deutschen Zulieferer weltweit und der wichtigste in Europa. Der Exportwert beträgt fast 4 Mrd. Euro.“ Nur nach China (8,1 Mrd. Euro) und in die USA (5,9 Mrd. Euro) lieferten sie mehr Produkte. Außerdem seien deutsche Zuliefererunternehmen mit rund 100 Standorten im Vereinigten Königreich engagiert. „Allein die Zulieferer haben dort seit 2010 20 neue Standorte eröffnet. Auch nach dem Votum kann auf beiden Seiten des Ärmelkanals niemand ein Interesse daran haben, mit Zollschranken zwischen Großbritannien und dem Festland den Warenverkehr zu verteuern oder zu behindern. Die Politik in Großbritannien muss zugleich wissen: Den vollen Zugang zum Binnenmarkt gibt es nur auf Basis der vier Grundfreiheiten“, sagte Bräunig.
Für Deutschland, so Bräunig weiter, sei die Automobilindustrie inklusive der Zuliefererbranche weiterhin ein wichtiger Job- und Konjunkturmotor. Seit 2010 wurden in der gesamten Autoindustrie in Deutschland rund 100.000 neue Jobs geschaffen, über 25.000 davon bei den Zulieferern. Diese gute Entwicklung dürfe kein Ruhekissen sein, unterstrich Bräunig. „Am Standort Deutschland gibt es wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf.“ Die steuerlichen Bedingungen für Forschung und Entwicklung müssten verbessert werden. Bräunig begrüßte die erfolgte Verständigung der Koalition zu Zeitarbeit und Werkverträgen: „Positiv ist, dass von einer starren Regulierung der Werkverträge Abstand genommen wird. Das muss im Gesetzgebungsverfahren auch umgesetzt werden. Werkverträge gehören zum elementaren Bestandteil für Flexibilität und Effizienz unserer automobilen Wertschöpfungskette.“Quelle: VDA