Mit der neuen ELV-Verordnung modernisiert die EU das bisherige Altfahrzeugrecht grundlegend. Die Verordnung ersetzt die bisherige Richtlinie 2000/53/EG und zielt auf eine einheitliche Regelung in allen Mitgliedstaaten ab. Neben Umweltzielen wie Abfallvermeidung und Ressourcenschonung rücken auch betriebliche Auswirkungen auf Ersatzteilhändler und Kfz-Werkstätten in den Fokus.
Umweltgerechte Verwertung als Leitprinzip
Die ELV-Verordnung zielt darauf ab, den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs stärker in den Blick zu nehmen. Hersteller müssen künftig sicherstellen, dass ihre Fahrzeuge recyclinggerecht konstruiert sind. Bereits beim Design ist zu berücksichtigen, wie Bauteile einfach demontiert und wiederverwendet oder recycelt werden können. Für Neufahrzeuge gelten ambitionierte Recyclingquoten: 85 Prozent des Fahrzeuggewichts müssen recycelbar, 95 Prozent rückgewinnbar sein. Zudem soll der Anteil an Rezyklat-Kunststoffen sukzessive auf 25 Prozent steigen, wovon ein Viertel aus Altfahrzeugen stammen muss.
Ersatzteilhandel: Mehr Wettbewerb, neue Chancen
Die Verordnung bringt grundlegende Veränderungen für den freien Ersatzteilhandel. Demontagebetriebe sind künftig verpflichtet, deutlich mehr Bauteile auszubauen und dem Markt zuzuführen – insbesondere solche mit hoher Nachfrage und Wiederverwendungsqualität. Das erweitert das Angebot an Gebrauchtteilen deutlich und schafft neue Geschäftsmodelle rund um Remanufacturing und Teilevermarktung.
Ein weiterer Impuls kommt durch die neue EU-Reparaturklausel, die parallel eingeführt werden soll. Der bisherige Designschutz auf sichtbare Ersatzteile entfällt. Karosserie-, Scheinwerfer- und Außenspiegelteile können damit künftig auch von freien Anbietern legal produziert und gehandelt werden. Für den Teilehandel bedeutet das mehr Wettbewerbsfreiheit, bessere Margen und eine breitere Produktpalette.
Allerdings steigen gleichzeitig die Anforderungen an Qualitätssicherung, Rückverfolgbarkeit und Transparenz. Nur Bauteile, die technisch einwandfrei und marktgängig sind, sollen weiterverwendet werden. Das verlangt von Händlern klare Prüfprozesse und gegebenenfalls Zertifizierungen.
Kfz-Werkstätten im Wandel
Für freie Werkstätten eröffnen sich neue Potenziale – gerade im Hinblick auf nachhaltige Reparaturkonzepte. Durch den erweiterten Zugang zu gebrauchten und wiederaufbereiteten Ersatzteilen lassen sich Instandsetzungen günstiger und ökologischer durchführen. Kunden profitieren von niedrigeren Kosten, Werkstätten von breiteren Serviceangeboten.
Gleichzeitig erfordert die neue Verordnung ein Umdenken im Reparaturprozess. Künftig müssen Werkstätten – insbesondere solche mit Demontagegenehmigung – eine Reihe zusätzlicher Ausbaupflichten erfüllen. Dazu zählen unter anderem Batterien, Steuergeräte, Airbags und Kunststoffverkleidungen. Auch der Umgang mit neuartigen Magnetmaterialien aus Elektromotoren wird Teil des Werkstattalltags.
Für viele Betriebe heißt das: Schulungen, Anpassung von Arbeitsprozessen und Investitionen in Technik und Know-how. Insbesondere bei der sicheren Handhabung von Hochvoltbatterien und Elektronikkomponenten steigen die Anforderungen deutlich.
FIGIEFA begrüßt die Abstimmung zur Altfahrzeugverordnung
Politische Debatte und nächste Schritte
Mit der Ratsposition vom 17. Juni 2025 liegt die Grundlage für die kommenden Trilogverhandlungen mit Parlament und Kommission vor. Das Europäische Parlament will bis spätestens September 2025 seine Position festlegen. Zu den strittigen Themen gehören insbesondere die Rezyklatanteile, die Ausweitung auf Lkw, Busse und Motorräder sowie die Einführung eines digitalen Fahrzeugpasses zur Nachverfolgung.
Ein Inkrafttreten der ELV-Verordnung ist frühestens Ende 2025 oder Anfang 2026 zu erwarten. Für die Branche bedeutet das: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten.
Auf der Website von EU Perspectives gibt es einen aufschlussreichen Artikel mit weiteren Einzelheiten über die Debatte: Driving in circles? EU overhauls end-of-life vehicle reules to boost circular economy.
Chancen für Pioniere der Kreislaufwirtschaft
Die ELV-Verordnung markiert einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Altfahrzeugen. Sie verknüpft Umweltziele mit konkreten Verpflichtungen für Hersteller, Händler und Werkstätten. Der Ersatzteilmarkt wird durch mehr Wettbewerb, größere Produktvielfalt und neue Geschäftsmöglichkeiten geprägt sein – vorausgesetzt, Betriebe stellen sich rechtzeitig auf die Veränderungen ein.
Für den freien Teilehandel und unabhängige Werkstätten ergeben sich neue Chancen in der Wiederverwendung, dem Remanufacturing und nachhaltigen Servicekonzepten. Der Wandel bringt jedoch auch mehr Bürokratie, neue Dokumentationspflichten und Schulungsbedarf mit sich. Betriebe, die sich frühzeitig anpassen, können im Wettbewerb deutlich an Boden gewinnen. HARO / MID