Die jüngste Einigung im transatlantischen Zollstreit zwischen den USA und der EU sorgt in Deutschland für kritische Stimmen. Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) warnt vor den direkten Auswirkungen des neuen US-Zollsatzes auf die Automobilwirtschaft. Die Einführung eines 15-prozentigen Zolltarifs auf Fahrzeuge und Fahrzeugteile aus Europa trifft nicht nur die Hersteller, sondern auch Handel, Werkstätten und letztlich die Endverbraucher.
Exportbelastung trifft heimischen Markt
Mit der Einführung des neuen US-Zolls wird der Export europäischer Fahrzeuge und Komponenten in die Vereinigten Staaten strukturell erschwert. Die Folge: Hersteller müssen ihre Produktionsstrategien überdenken. Eine Verlagerung von Produktionskapazitäten oder ein Rückzug aus dem US-Markt könnte direkte Auswirkungen auf das Modellangebot und die Teileverfügbarkeit in Europa haben. Der ZDK macht deutlich, dass damit auch der deutsche Markt unter Druck gerät – sowohl bei Neufahrzeugen als auch in der Versorgung mit Ersatzteilen.
Die Auswirkungen beschränken sich nicht nur auf Fahrzeuge selbst. Viele Fahrzeugkomponenten – von elektronischen Steuergeräten bis hin zu Spezialmodulen – entstehen in komplexen, transatlantischen Wertschöpfungsketten. Wird der Warenverkehr zwischen der EU und den USA durch hohe Zölle gehemmt, drohen Engpässe bei zentralen Bauteilen. Für den Ersatzteilmarkt bedeutet dies: steigende Einkaufspreise, längere Lieferzeiten und höhere Reparaturkosten. Werkstätten müssen mit einem erhöhten organisatorischen Aufwand rechnen – etwa durch die Suche nach alternativen Lieferquellen oder die Anpassung von Lagerbeständen.
ZDK mahnt: keine Gegenmaßnahmen aus Europa
Der ZDK begrüßt zwar grundsätzlich, dass eine weitere Eskalation des Zollkonflikts zum 1. August abgewendet wurde. Doch Präsident Thomas Peckruhn warnt: Die Belastung durch den neuen US-Zollsatz wird letztlich auf die Kunden durchschlagen – beim Fahrzeugkauf ebenso wie beim Werkstattbesuch. Noch gravierender könnten europäische Gegenmaßnahmen wirken. Sollten auch auf US-Importe Zölle erhoben werden, droht eine weitere Spirale der Teuerung, die Verbraucher und den Kfz-Bereich gleichermaßen trifft.
Die Modellpolitik der Hersteller steht ebenfalls vor einem Umbruch. Wenn bestimmte Fahrzeugvarianten aufgrund wirtschaftlicher Faktoren vom US-Markt verschwinden, sinkt auch die globale Produktionszahl. Das wirkt sich mittelfristig auf die Modellvielfalt in Europa aus. Zudem verlängern sich Lieferzeiten für Fahrzeuge, deren Produktion eng mit US-Zulieferern oder -Standorten verknüpft ist. Für Werkstätten bedeutet das eine größere Herausforderung bei der Ersatzteilbeschaffung, insbesondere bei komplexen Reparaturen moderner Fahrzeuge.
Auswirkungen auf den freien Teilehandel
Für den unabhängigen Teilehandel bedeutet der neue Zollsatz zusätzliche Unsicherheiten in der Preisgestaltung. Händler, die auf transatlantische Lieferketten angewiesen sind, müssen mit schwankenden Einkaufspreisen und wechselnden Lieferbedingungen kalkulieren. Die Folge könnten vermehrte Preisgleitklauseln in Lieferverträgen und eine stärkere Fokussierung auf europäische oder asiatische Zulieferer sein. Dies kann jedoch nicht alle Ausfälle kompensieren, da bestimmte Komponenten nur von spezialisierten US-Herstellern bezogen werden können.
Viele Innovationen in der Automobiltechnik entstehen in transatlantischer Kooperation. Forschungspartnerschaften zwischen europäischen und US-amerikanischen Unternehmen sind vor allem bei Elektroantrieben, Softwarelösungen und vernetzten Fahrzeugsystemen weit verbreitet. Werden diese Lieferketten unterbrochen oder verteuert, kann dies zu Verzögerungen bei der Einführung neuer Technologien führen. Werkstätten und Servicebetriebe müssen sich dann länger mit älteren Systemgenerationen auseinandersetzen, was den Schulungsbedarf verändert und den Zugang zu aktueller Technik einschränkt.
Anpassungsstrategien der Hersteller
Um den neuen Zollregelungen zu begegnen, könnten Hersteller vermehrt auf Produktionsverlagerungen setzen. Fahrzeuge für den US-Markt könnten verstärkt direkt in Nordamerika gefertigt werden, um Zollkosten zu vermeiden. Das hätte Auswirkungen auf europäische Standorte und könnte langfristig zu einer Verringerung der Produktionsauslastung führen. Parallel dazu besteht die Gefahr, dass bestimmte Fahrzeugmodelle in Europa nur noch in geringen Stückzahlen verfügbar sind, wenn deren Hauptabsatzmarkt die USA sind.
Engpässe bei Neuwagen und Ersatzteilen wirken sich auch auf den Gebrauchtwagenmarkt aus. Wenn weniger Neufahrzeuge auf den Markt kommen oder deren Auslieferung sich verzögert, steigt die Nachfrage nach jungen Gebrauchten. Gleichzeitig können höhere Ersatzteilpreise und längere Reparaturzeiten den Wert gebrauchter Fahrzeuge beeinflussen. Für Kfz-Betriebe kann dies zwar kurzfristig zusätzliche Umsätze im Gebrauchtwagengeschäft bedeuten, langfristig jedoch zu einem angespannten Marktumfeld führen, in dem Margen sinken und Kunden stärker preissensibel reagieren.
Fazit
Der neue US-Zollsatz hat das Potenzial, die gesamte Lieferkette in der Automobilbranche zu verändern. Für den freien Teilehandel und Werkstätten bedeutet dies, sich verstärkt auf alternative Bezugsquellen einzustellen und die eigene Lagerstrategie zu überdenken. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Beratungskompetenz im Kundenkontakt, da Preissteigerungen und längere Wartezeiten zunehmend erklärt werden müssen. Entscheidend wird sein, wie schnell und flexibel sich Betriebe auf die neuen Marktbedingungen einstellen können. Quelle: ZDK