Siemens & RIIICO zeigen, wie Ökosysteme funktionieren

Veröffentlicht am 23.06.2025
Unter dem Titel "Eco-Systems and Collaboration Models Reshaping the Mobility Sector" zeigten Betina Rotermund (Siemens) und Jan Büchsenschütz (RIIICO) auf der CLEPA Aftermarket Conference, wie Plattformstrategien, Datenintegration und partnerschaftliche Zusammenarbeit die Mobilitäts- und Aftermarket-Welt verändern. Im Zentrum: Siemens Accelerator – ein B2B-Ökosystem für digitale Transformation – und die Vision eines kollaborativen, offenen und vertrauensbasierten Marktzugangs.
 

Industrieübergreifende Digitalisierung erfordert mehr als gute Einzelprodukte. Sie braucht ganzheitliche Lösungen, offene Systeme und vor allem: Vertrauen. Das war die zentrale Botschaft von Betina Rotermund (Siemens) und Jan Büchsenschütz (RIIICO) bei ihrer gemeinsamen Keynote auf der CLEPA Aftermarket Conference. Der Titel „Eco-Systems and Collaboration Models Reshaping the Mobility Sector“ spiegelte wider, was den Mobilitätssektor in den kommenden Jahren grundlegend verändern wird: Plattformdenken, Datenökonomie und Co-Creation.


Warum Siemens eine Plattform baute – und was daraus wurde

Rund zwei Drittel aller IoT-Projekte scheiterten laut einer Analyse von 2018. Die Gründe? Komplexe IT-Landschaften, mangelnde Interoperabilität und fehlende Flexibilität. Die Antwort von Siemens war ein radikaler Strategiewechsel: Weg vom Produkt, hin zur Lösung. Weg vom Wettbewerbsgedanken, hin zum offenen Ökosystem. So entstand der Siemens Accelerator – eine B2B-Plattform, die Lösungen statt Einzelkomponenten bietet und Drittanbieter, Start-ups und sogar Wettbewerber mit einbindet.

Die Philosophie: Kunden brauchen keine Einzellösungen, sondern Orientierung, Integration und Vertrauen. Deshalb setzt Siemens bewusst auf einen offenen, kuratierten Marktplatz, auf dem neben eigenen auch Drittprodukte angeboten werden – von AWS bis NVIDIA, von Start-ups bis OEMs. Der Fokus liegt auf Use Cases, nicht auf Marken.

Vom Ego-System zum Eco-System

Der Aufbau eines echten Ökosystems erfordert laut Rotermund mehr als Technologie: „Die Währung eines Ökosystems ist Vertrauen.“ Wer Zusammenarbeit will, muss eigene Interessen relativieren, offen kommunizieren und gemeinsame Ziele definieren. Diese Haltung war auch innerhalb von Siemens zunächst ungewohnt – der Umgang mit Wettbewerb auf einer eigenen Plattform forderte Umdenken und Mut.

RIIICO: Realität als digitale Grundlage

Ein Beispiel für erfolgreiche Zusammenarbeit ist die Partnerschaft mit RIIICO, einem Start-up aus Aachen. RIIICO erfasst reale Produktionsumgebungen per Laserscan und erstellt daraus mithilfe von KI automatisch digitale Zwillinge von Fabriken. Das Besondere: Jedes Objekt – ob Roboter, Maschine oder Wand – wird semantisch erkannt und mit Metadaten angereichert. So entsteht eine präzise, digital nutzbare Grundlage für Planung, Simulation oder Energieoptimierung.

Statt in Eigenregie Simulationstechnologie zu entwickeln, setzt Siemens auf Integration: Die Modelle von RIIICO werden direkt in Siemens-Tools überführt – etwa für den Aufbau industrieller Metaverses. Auch andere Partner wie Dassault oder NVIDIA profitieren von dieser Infrastruktur.

Digitale Produktpässe: Zusammenarbeit als regulatorische Notwendigkeit

Ein weiteres Beispiel für Ökosystemdenken ist das Projekt „Catena-X“ und die Entwicklung des digitalen Batteriepasses im Rahmen von „PathEra“. Siemens stellte hierfür die Softwareplattform, aber erst durch die Zusammenarbeit mit OEMs, Recyclingunternehmen, Komponentenherstellern und Datenprovidern wurde eine funktionierende Lösung entlang der gesamten Wertschöpfungskette möglich – von der Rohstoffgewinnung bis zum Second-Life-Einsatz der Batterie.

Ab 2026 verlangt die EU eine validierte CO₂-Bilanz für Batterien. Das sei laut Rotermund nur umsetzbar, „wenn alle Beteiligten ihr Ego vor der Tür lassen“. Eine reine Einzellösung wäre weder wirtschaftlich noch regulatorisch tragbar.

Zukunft der Industrie: Plattformen, Daten und Partnerschaft

Die Kundenreise im B2B-Bereich verlagert sich zunehmend ins Digitale – 70 bis 80 % der Informations- und Entscheidungsprozesse erfolgen bereits online. Plattformen wie Siemens Accelerator bieten nicht nur Produkte, sondern auch Peer-to-Peer-Kommunikation, Expertennetzwerke und interaktive Entscheidungsunterstützung. Die offene Architektur ermöglicht es Unternehmen jeder Größe, gemeinsam neue Werte zu schaffen – schneller, effizienter und skalierbarer.


Wer alleine geht, geht schnell. Wer gemeinsam geht, kommt weiter.

Das abschließende Plädoyer der Keynote lautete: Die Zukunft liegt im Ökosystem – nicht im Alleingang. Unternehmen müssen sich entscheiden, ob sie selbst Ökosysteme aufbauen oder bestehenden beitreten. In Zeiten geopolitischer Unsicherheit sind Plattformen und Netzwerke entscheidend für Resilienz, Innovationskraft und Marktzugang. Siemens hat mit dem Accelerator-Programm vorgemacht, wie ein solches Ökosystem aufgebaut werden kann – mit nachweisbarem Erfolg: 40 % der digitalen Umsätze stammen bereits aus Ökosystemgeschäft, ursprünglich waren nur 10 % geplant. HAR

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