Fahrzeugdaten: Keine Verbesserung in Sicht

Veröffentlicht am 27.10.2025
Die neuen EU-Leitlinien zur Datenverordnung (EU) 2023/2854 sollten mehr Transparenz und fairen Zugang zu Fahrzeugdaten schaffen. Doch im Automotive-Sektor bleibt Ernüchterung. Vertreter des Kfz-Handwerks und des Aftermarkets kritisieren, dass zentrale Anliegen unberücksichtigt blieben. Hersteller können weiterhin Daten mit Verweis auf Ausnahmen zurückhalten, und die sichere Leistungserbringung im vernetzten Fahrzeug bleibt unzureichend geregelt. Der Ruf nach einer sektorspezifischen Regulierung wird lauter – denn für Werkstätten, Zulieferer und Versicherer bedeutet der Data Act bislang kaum Fortschritt.
 

Die am 12. September in Kraft getretene EU-Datenverordnung (EU) 2023/2854 legt einheitliche europäische Vorschriften für den Zugang zu und die Nutzung von Daten fest. Mit den dazugehörigen Leitlinien der EU-Kommission soll die Anwendung im Automobilsektor konkretisiert werden. Doch die Erwartungen vieler Branchenvertreter wurden enttäuscht. Laut ZDK und der Verbändeallianz AFCAR bleibt der versprochene faire Datenzugang in der Praxis auf der Strecke.


Uneinheitliche Auslegung trotz klarer Ziele

Zentraler Gedanke der Verordnung ist das Recht der Nutzer auf Zugang zu den Daten ihres Fahrzeugs. Der Zugriff kann entweder direkt oder indirekt über den Fahrzeughersteller erfolgen. Nutzer sollen frei entscheiden können, ob sie diese Daten auch Dritten wie freien Werkstätten oder Versicherern bereitstellen. Die EU fordert, dass dies in gleicher Qualität und ohne unnötige technische oder finanzielle Hürden möglich sein muss. Teure Spezialgeräte oder komplexe Schnittstellen dürfen kein Ausschlusskriterium darstellen.

Allerdings bleibt die verbindliche Auslegung der Vorschriften dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten. Die EU-Kommission hat zwar Leitlinien veröffentlicht, diese sind jedoch rechtlich nicht bindend. Damit entsteht erneut Interpretationsspielraum, der den Herstellern in die Hände spielt und den freien Wettbewerb im Aftermarket schwächt.

Datenzugang bleibt begrenzt

Die Interessen des freien Marktes in den Leitlinien nur unzureichend berücksichtigt. Hersteller können weiterhin umfangreiche Daten mit dem Hinweis auf Ausnahmen, etwa zum Schutz geistigen Eigentums, zurückhalten. Zudem fehlen klare Vorgaben, wie die sichere Leistungserbringung im vernetzten Fahrzeug künftig gewährleistet werden soll.

Gerade für Werkstätten und Zulieferer ist der Zugang zu Fahrzeugdaten entscheidend, um Diagnose-, Wartungs- und Reparaturarbeiten effizient durchführen zu können. Werden diese Daten jedoch nur eingeschränkt bereitgestellt, entsteht ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Herstellern und unabhängigen Marktteilnehmern. Der ZDK fordert daher eine sektorspezifische Regulierung oder eine Überarbeitung der Typgenehmigung und Gruppenfreistellungsverordnung, um den Wettbewerb langfristig zu sichern.

Erfasst sind laut Verordnung alle Fahrzeuge, die während der Nutzung Daten erzeugen oder übermitteln, sowie alle vernetzten Dienste, die mit dem Fahrzeug in Beziehung stehen. Dazu gehören Funktionen wie Türverriegelung, Motorstart per App, cloudbasierte Fahrerprofile oder dynamische Streckenoptimierung. Nicht betroffen sind klassische, manuelle Werkstattarbeiten, die offline erfolgen.

Für die Nutzung dieser Daten im Rahmen von Geschäftsbeziehungen dürfen Fahrzeughersteller als Dateninhaber eine angemessene Vergütung verlangen. Wie diese zu berechnen ist, wird die EU-Kommission in gesonderten Leitlinien definieren. Auch hier drohen erneut Unklarheiten, wenn keine klaren und praxisnahen Kriterien geschaffen werden.

ZDK sieht Wettbewerbsnachteile für den unabhängigen Aftermarket

Die aktuellen Vorgaben verstärken eine bereits bestehende Asymmetrie zwischen Fahrzeugherstellern und unabhängigen Marktteilnehmern. Während OEMs direkten Zugriff auf sämtliche Fahrzeugdaten besitzen, müssen freie Werkstätten auf Umwege und kostenpflichtige Plattformen zurückgreifen. Dies führt zu höheren Betriebskosten und verlängerten Prozesszeiten. Für kleinere Betriebe kann dies existenzielle Folgen haben. Ohne verbindliche Regelungen zum diskriminierungsfreien Datenzugang droht eine Marktverengung zugunsten der Fahrzeughersteller und ihrer Vertragsnetze.

Ein weiterer kritischer Punkt betrifft die Verantwortung bei der Nutzung von Fahrzeugdaten. Die Leitlinien lassen offen, wie Sicherheits- und Haftungsfragen zu bewerten sind, wenn Dritte – etwa freie Werkstätten – auf Fahrzeugschnittstellen zugreifen. Hier fordern Branchenvertreter klare technische und rechtliche Standards, die eine sichere Datenübertragung gewährleisten. Nur so kann verhindert werden, dass Werkstätten oder Dienstleister ungewollt in Konflikt mit Herstellergarantie, Datenschutz oder Cybersecurity-Vorgaben geraten.

Technische Schnittstellen und Interoperabilität

Die technische Umsetzung des Datenzugangs hängt stark von einheitlichen Schnittstellen ab. Bisher existieren in der EU keine verbindlichen Normen, die Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Fahrzeugmarken und Werkstattsystemen sicherstellen. Viele Hersteller nutzen proprietäre Lösungen, die Wartungsarbeiten außerhalb des eigenen Servicenetzes erschweren. Branchenverbände fordern deshalb eine offene und standardisierte Fahrzeug-Schnittstelle (z. B. über die sogenannte „Extended Vehicle“-Architektur), um gleiche Wettbewerbsbedingungen und eine zukunftssichere Datenkommunikation zu ermöglichen.

Die Digitalisierung des Automobils kann nur dann erfolgreich verlaufen, wenn alle Marktakteure gleichermaßen Zugang zu relevanten Daten erhalten. Eine gerechte Verteilung von Datenrechten ist Grundvoraussetzung für Innovation, Verbraucherschutz und nachhaltige Mobilität. Werkstätten, Versicherer, Mobilitätsdienstleister und Zulieferer benötigen klare, rechtssichere Rahmenbedingungen, um ihre Leistungen im digitalen Fahrzeugumfeld anbieten zu können.
Die EU steht nun vor der Aufgabe, den Data Act in sektorspezifische Regelungen zu überführen, die Transparenz und Fairness im Datenökosystem des Automobilsektors verbindlich verankern.


Fazit

Obwohl die EU-Datenverordnung ein wichtiger Schritt zur Schaffung eines einheitlichen Datenmarkts ist, bleibt sie für den Automotive-Sektor unbefriedigend. Die aktuellen Leitlinien schaffen keine echte Gleichstellung zwischen Herstellern und unabhängigen Marktteilnehmern. Der ZDK und die AFCAR-Allianz werden sich daher weiter für eine faire und sichere Datenbereitstellung einsetzen. Nur mit einer sektorspezifischen Regulierung kann gewährleistet werden, dass die digitale Fahrzeugwelt auch in Zukunft offen, wettbewerbsfähig und verbraucherfreundlich bleibt. Quelle: MID / ZDK 

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