Frankreich zeigt, wie gezielte Fördermodelle den Zugang zu E-Mobilität für Haushalte mit niedrigem Einkommen ermöglichen. Das Prinzip: Social Leasing. Mit staatlich subventionierten Raten unter 200 Euro monatlich wird ein begrenzter Neuwagenpool für einkommensschwache Pendler geöffnet. Für Deutschland ist ein ähnliches Konzept in Vorbereitung – noch ohne finalen Startbeschluss. Für den Automotive Aftermarket entstehen daraus neue Herausforderungen: geringere Werkstattauslastung je Fahrzeug, Verlagerung von Kundenströmen und eine schrittweise Verschiebung der Teile- und Servicebedarfe.
Das Social Leasing Modell in Frankreich im Überblick
Das französische Modell basiert auf klar definierten Förderkriterien und einem begrenzten Fahrzeugkontingent. Für das Jahr 2025 sind 50.000 Fahrzeuge vorgesehen. Die staatliche Förderung liegt bei 27 % des Fahrzeugwerts, maximal 7.000 Euro. Die Leasingraten sind auf 200 Euro pro Monat begrenzt – viele Modelle liegen darunter, manche sogar unter 100 Euro. Die Fahrzeuge müssen neu sein, eine bestimmte Umweltbewertung erfüllen und mindestens 36 Monate sowie 12.000 km pro Jahr geleast werden.
Anspruchsberechtigt sind Haushalte mit einem steuerlichen Referenzeinkommen unter etwa 16.300 Euro je Einheit, die zudem berufsbedingt pendeln – entweder täglich mindestens 15 km je Strecke oder jährlich mindestens 8.000 km dienstlich. Diese Zielgenauigkeit ist entscheidend: Das Programm adressiert nicht allgemeine Nachfrage, sondern die Schnittmenge aus Einkommensschwäche und Autoabhängigkeit.
Der Erfolg war unmittelbar: Die erste Runde Anfang 2024 wurde nach weniger als zwei Monaten gestoppt – 90.000 Anträge trafen auf ein Kontingent von 25.000 Fahrzeugen. Ein Relaunch mit angepasstem Budget und überarbeiteten Kriterien ist für 2025 fixiert.
Deutschland in Vorbereitung: Noch kein Beschluss, aber politische Einigung
Ein offizielles, startbereites Social-Leasing-Programm gibt es in Deutschland bislang nicht. Doch die politische Linie steht: Die Bundesregierung hat sich auf eine gezielte E-Förderung für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen verständigt. Vorgesehen ist ein Budget von rund drei Milliarden Euro. Ob es ein Leasingmodell mit festen Monatsraten wird oder ein Zuschusssystem zu Kauf- und Leasingverträgen, ist derzeit noch offen.
Als Startzeitpunkt wird in Fachkreisen der 1. Januar 2026 genannt. Medienberichte sprechen von möglichen Zuschüssen bis zu 4.000 Euro für Modelle unterhalb von 45.000 Euro Listenpreis. Offizielle Förderrichtlinien oder Kabinettsbeschlüsse liegen Stand Oktober 2025 allerdings noch nicht vor.
Zielgruppe: Autoabhängigkeit auch in einkommensschwachen Haushalten
Laut Daten der Bundeszentrale für politische Bildung hatten im Jahr 2017 rund 53 % der Haushalte mit sehr niedrigem Einkommen keinen eigenen Pkw – aber 47 % eben doch. Damit zeigt sich: Auch in den unteren Einkommensgruppen ist Autoabhängigkeit kein Randphänomen, vor allem außerhalb urbaner Ballungsräume.
Deutschlandweit sind derzeit rund 49,1 Millionen Pkw zugelassen, das Durchschnittsalter liegt bei 10,3 Jahren. Der Gebrauchtwagenmarkt umfasst jährlich etwa 6,5 Millionen Transaktionen. Ein Großteil des preisgünstigen Markts basiert auf älteren Verbrennerfahrzeugen. Social Leasing könnte diesen Bestand in Teilsegmenten mittelfristig beeinflussen.
Auswirkungen auf den Aftermarket: Mehr als ein Mengeneffekt
1. Gebrauchtwagenmarkt: Leichte Verengung im Budgetsegment
Ein Social-Leasing-Volumen von 50.000 Neuwagen pro Jahr hält diese Fahrzeuge mindestens drei Jahre aus dem Gebrauchtmarkt heraus. Im Vergleich zum Gesamtumsatz mit rund 6,5 Mio. Besitzumschreibungen jährlich ergibt das weniger als ein Prozent Mengeneffekt – auf Gesamtmarktebene also unbedeutend.
Anders sieht es jedoch im unteren Preissegment aus: Gerade dort, wo einkommensschwache Haushalte nach Gebrauchtwagen suchen, können spürbare Knappheiten entstehen. Junge, günstige Gebraucht-EVs fehlen für mehrere Jahre – das wirkt lokal und segmentiert preistreibend.
2. Werkstattumsatz: EV bedeutet geringere Wertschöpfung
Elektrofahrzeuge verursachen im Schnitt rund 30–40 % weniger Werkstattumsatz über ihren Lebenszyklus. Grund sind strukturell geringere Verschleißkomponenten, Wegfall von Öl- und Abgasanlagen sowie längere Wartungsintervalle. Freie Werkstätten berichten von 25–29 % weniger Umsatz pro Besuch im Vergleich zu Verbrennern.
Wenn jährlich 50.000 einkommensschwache Haushalte durch Social Leasing aus alten Verbrennern auf neue E-Fahrzeuge umsteigen, bedeutet das für das IAM ein Umsatzminus. Konservativ gerechnet: Bei durchschnittlich 600 Euro Werkstattumsatz p. a. je Verbrenner gegenüber 420 Euro bei einem E-Auto ergibt sich ein Differenzbetrag von 180 Euro je Fahrzeug. Für einen Jahrgang macht das 9 Mio. Euro Umsatzverlust – auf drei zeitgleiche Jahrgänge hochgerechnet rund 27 Mio. Euro pro Jahr.
3. Verschiebung zum OE-Kanal: Bindung durch Leasing & Garantie
Social-Leasing-Fahrzeuge starten als Neuwagen und sind in den ersten Jahren in Garantie und Wartungsverträgen gebunden. Das bedeutet: Reparatur- und Wartungsumsätze fließen in den OE-Kanal. Für den IAM ist dieser Anteil vorübergehend verloren, kehrt aber mit Verzögerung durch Rückläufer nach drei bis vier Jahren teilweise zurück – allerdings mit niedrigerem Umsatzniveau.
4. Veränderte Nachfrage im Budget-IAM: Weniger Altbestand, andere Jobs
Der Austausch von alten Verbrennern durch neue EVs in einkommensschwachen Haushalten bedeutet, dass weniger Fahrzeuge mit hohem Reparaturbedarf im Alltagsbetrieb bleiben. Klassische Verschleißjobs (Bremsen, Abgasanlage, Ölservice) nehmen ab, Sichtprüfungen, Reifenservice und Karosseriearbeiten treten stärker in den Vordergrund.
Fazit: IAM muss sich anpassen – jetzt
Social Leasing öffnet neuen Zielgruppen den Zugang zur Elektromobilität – auf begrenztem Volumen, aber mit strukturwirksamen Effekten. Für den Aftermarket sind diese Effekte weniger mengengetrieben, sondern betreffen vor allem Umsatzstrukturen, Teilebedarf und Kundenbindung IAM vs. OE. Denn auch wenn der Social-Leasing-Effekt im Marktanteil klein wirkt – im betroffenen Preissegment ist er spürbar. HARO RE MID
FAQ
Wie wirkt sich Social Leasing auf den Gebrauchtwagenmarkt aus?
Social Leasing verzögert das Eintreten geförderter Neuwagen in den Gebrauchtmarkt um 3–4 Jahre. Im Gesamtmarkt ist der Effekt gering (< 1 %), im unteren Preissegment jedoch spürbar. Hier kann es zu lokalen Engpässen und Preissteigerungen bei jungen Gebrauchtfahrzeugen kommen.
Wie verändert Social Leasing den Werkstattumsatz?
EVs verursachen rund 30–40 % weniger Werkstattumsatz über den Fahrzeuglebenszyklus. Gründe sind geringerer Verschleiß, Wegfall von Öl- und Abgasanlagen und längere Wartungsintervalle. Für das IAM bedeutet das sinkende Erlöse pro Fahrzeug bei wachsendem EV-Anteil. Aber auch eine Verschieben in den OE-Kanal.
Welche Rolle spielt die Vertragswerkstatt bei Social-Leasing-Fahrzeugen?
Geförderte Fahrzeuge sind meist neu und unterliegen Leasingbindung und Garantieleistungen. Wartung und Reparatur erfolgen in den ersten Jahren fast ausschließlich im OE-Kanal bzw. Vertragswerkstatt. Der IAM bekommt Zugang frühestens mit den ersten Rückläufern ab Jahr 4.


