VDA-Umfrage offenbart strukturellen Handlungsbedarf

Veröffentlicht am 16.06.2025
Die aktuelle VDA-Umfrage unter mittelständischen Unternehmen der Automobilindustrie macht deutlich: Angespannte Standortbedingungen, hohe Finanzierungshürden und ein wachsender Investitionsstau belasten die Branche erheblich. Der Mittelstand erwartet von der neuen Bundesregierung spürbare Reformen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Bürokratieabbau, Infrastrukturmodernisierung und gezielte Transformationsfinanzierung stehen im Mittelpunkt der Forderungen. Die politischen Rahmenbedingungen müssen jetzt an Tempo und Klarheit gewinnen, damit der Mittelstand handlungsfähig bleibt.
 

Im Rahmen des 25. VDA-Mittelstandstags in Bonn hat der Verband der Automobilindustrie eine Branchenumfrage präsentiert, die die wirtschaftliche Lage mittelständischer Zulieferbetriebe und Hersteller in Deutschland beleuchtet. Die Ergebnisse zeichnen ein vielschichtiges Bild: Die Stimmung ist geprägt von Unsicherheit, Investitionszurückhaltung und steigender Regulierungsdichte. Gleichzeitig gibt es vorsichtige Zuversicht – insbesondere in Bezug auf politische Ankündigungen zur Stärkung des Industriestandorts.


Investitionszurückhaltung bremst Innovation

Ein zentrales Ergebnis der Umfrage: Der Großteil der befragten Unternehmen plant derzeit nicht, in Deutschland zu investieren. Rund drei Viertel der Betriebe verschieben oder überdenken laufende Investitionsvorhaben. Jeder fünfte Betrieb zieht einen vollständigen Verzicht in Betracht. Häufig werden geplante Mittel ins Ausland verlagert – vor allem innerhalb Europas sowie in Richtung Nordamerika und Asien.

Ausschlaggebend ist vor allem die Absatzentwicklung auf dem europäischen Markt, die sich nach wie vor unter dem Vorkrisenniveau bewegt. In Kombination mit steigenden Betriebskosten und wachsenden regulatorischen Auflagen entsteht ein Umfeld, in dem Erweiterungsprojekte zunehmend unattraktiv werden. Nur ein verschwindend geringer Teil der Unternehmen will aktuell die Investitionstätigkeit im Inland ausweiten.

Finanzierungsbedingungen verschärfen sich spürbar

Die Herausforderungen bei der Unternehmensfinanzierung nehmen ebenfalls deutlich zu. Eine Vielzahl der Unternehmen war in den vergangenen Monaten in Gespräche mit Banken involviert – mit ernüchterndem Ergebnis. Ein Großteil berichtet von restriktiveren Kreditbedingungen: gestiegene Zinssätze, kürzere Laufzeiten und erhöhte Sicherheitsanforderungen erschweren den Zugang zu Kapital.

Vor allem der Mittelstand, der in der aktuellen Transformationsphase häufig in Vorleistung gehen muss, ist davon betroffen. Klassische Finanzierungsmodelle reichen für viele Unternehmen nicht mehr aus. Gefordert wird eine passgenaue Finanzierung von Innovations- und Umstrukturierungsprojekten – etwa im Bereich Digitalisierung, klimaneutrale Technologien oder automatisierte Fertigung. Ohne flankierende politische Maßnahmen drohen diese Unternehmen den Anschluss zu verlieren.

Bürokratie und Infrastruktur als Dauerproblem

Die betriebliche Belastung durch administrative Auflagen ist weiterhin hoch. Fast 90 Prozent der befragten Unternehmen beklagen eine deutliche Überregulierung, die interne Abläufe lähmt und Ressourcen bindet. Besonders kleine und mittlere Betriebe sehen sich häufig nicht in der Lage, den wachsenden Dokumentations- und Berichtspflichten effizient nachzukommen.

Hinzu kommen infrastrukturelle Defizite: Marode Brücken, langwierige Bauprojekte und fehlende Umleitungen beeinträchtigen Produktionsprozesse und Logistikketten. Für viele Unternehmen wird die Standortwahl zunehmend zur strategischen Entscheidung – nicht zuletzt, weil funktionierende Verkehrsanbindungen inzwischen als Wettbewerbsfaktor gelten.

Beschäftigung unter Druck, Fachkräftelücke schrumpft

Parallel zur wirtschaftlichen Zurückhaltung sinkt auch die Beschäftigungsdynamik im Mittelstand. Über die Hälfte der befragten Unternehmen reduziert derzeit Arbeitsplätze, was vor allem auf die konjunkturelle Unsicherheit zurückgeführt wird. Auffällig ist, dass der Fachkräftemangel weniger stark ausgeprägt ist als in den Vorjahren – was weniger auf eine Entspannung am Arbeitsmarkt hinweist als auf eine geringere Nachfrage durch sinkende Auftragseingänge.

Ein beachtlicher Teil der Unternehmen ist Antriebs-unabhängig aufgestellt oder kombiniert Projekte aus den Bereichen Verbrennungstechnologie und Elektromobilität. Der reine Fokus auf batterieelektrische Antriebe bleibt hingegen die Ausnahme. Dies unterstreicht, wie breit der technologische Wandel im Mittelstand interpretiert wird.

Erwartung an die Politik: Standortbedingungen aktiv gestalten

Trotz der angespannten Lage gibt es Anzeichen für vorsichtigen Optimismus. Eine Mehrheit der Unternehmen erwartet von der Bundesregierung, dass die Rahmenbedingungen für industrielle Wertschöpfung verbessert werden. Dabei stehen steuerliche Erleichterungen, der Abbau bürokratischer Hürden und eine zügige Infrastrukturmodernisierung ganz oben auf der Wunschliste.

Auch in den politischen Zielsetzungen zur Stärkung des Mittelstands – etwa durch Investitionsanreize, digitale Förderung oder resilientere Lieferketten – sehen viele Betriebe Potenzial. Entscheidend ist jedoch, dass Ankündigungen schnell und wirksam in konkrete Maßnahmen überführt werden. Denn je länger Reformen auf sich warten lassen, desto größer ist die Gefahr struktureller Standortnachteile.

Strukturwandel erfordert neue Partnerschaften entlang der Lieferkette

Die zunehmende Komplexität in der automobilen Wertschöpfungskette führt dazu, dass mittelständische Unternehmen enger mit Partnern aus Entwicklung, Produktion und Logistik zusammenarbeiten müssen. Gerade in der Zulieferindustrie sind langfristige, belastbare Kooperationen entscheidend, um flexibel auf neue Kundenanforderungen und technologische Entwicklungen reagieren zu können.

Der Strukturwandel in Richtung Softwareintegration, Halbleiterbedarf und Leichtbau erfordert zudem neue Kompetenzen, die nicht jedes Unternehmen allein aufbauen kann. Strategische Allianzen, technologieorientierte Cluster und regionale Netzwerke gewinnen an Bedeutung. Die Fähigkeit, sich in übergreifende Innovationsprojekte einzubringen, wird zunehmend zum Wettbewerbsfaktor – insbesondere für kleinere Zulieferer.

Unsicherheit beim Antriebspfad verlangsamt Investitionsentscheidungen

Trotz politischer Festlegungen auf den batterieelektrischen Antrieb bleibt in vielen Unternehmen eine gewisse Zurückhaltung spürbar. Der technologische Pfad ist aus Sicht zahlreicher Betriebe noch nicht eindeutig – vornehmlich vor dem Hintergrund global unterschiedlicher Regulierungen, Marktbedarfe und Energieinfrastrukturen.

Die anhaltende Debatte um synthetische Kraftstoffe, Wasserstofflösungen und alternative Antriebstechnologien führt dazu, dass viele mittelständische Zulieferer in technologieoffene Strategien investieren. Das verursacht Mehraufwand, bremst aber zugleich die Fokussierung auf konkrete Innovationsprojekte. Ein klarer regulatorischer Rahmen auf EU-Ebene, der Investitionssicherheit schafft, wäre aus Sicht vieler Unternehmen wünschenswert.


Fazit

Die Automobilzulieferbranche steht an einem kritischen Punkt. Die Kombination aus Investitionsunsicherheit, begrenztem Finanzierungsspielraum, administrativen Hürden und infrastrukturellen Schwächen setzt dem Mittelstand spürbar zu. Dennoch zeigen viele Betriebe Veränderungsbereitschaft – vorausgesetzt, die politischen Rahmenbedingungen werden entschlossen und zukunftsorientiert gestaltet. Nur mit einem industriepolitischen Schulterschluss lässt sich die Rolle des Mittelstands als Rückgrat der deutschen Automobilwirtschaft langfristig sichern. Quelle: VDA

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