Die Analyse von Agora Verkehrswende beschreibt die wirtschaftlichen Chancen des bidirektionalen Ladens und zeigt, wie Fahrzeugbatterien als flexible Speicher die Energiewende unterstützen. Berechnungen für das Jahr 2030 verdeutlichen, dass die Rückeinspeisung in Verbindung mit dynamischen Strompreisen und Photovoltaikanlagen deutliche finanzielle Vorteile bieten kann.
Wirtschaftliche Potenziale von Vehicle-to-Grid-Anwendungen
Bidirektionales Laden ermöglicht die Rückeinspeisung von Strom aus der Fahrzeugbatterie in das öffentliche Netz oder in die eigene Hausinstallation. Das Reiner-Lemoine-Institut hat hierzu im Auftrag von Agora Verkehrswende verschiedene Anwendungsfälle bewertet und mögliche Erlöse prognostiziert. Die zentrale Aussage: Durch geschicktes Laden und Entladen zu variablen Strompreisen können bis zu 500 Euro pro Jahr erzielt werden.
Besonders attraktiv wird die Technologie, wenn das Fahrzeug mit einer Photovoltaikanlage kombiniert wird. In diesem Fall fungiert die Traktionsbatterie als zusätzlicher Hausspeicher, der Solarstrom zwischenspeichert und später im Haushalt oder im Netz bereitstellt. Dadurch entstehen weitere finanzielle Vorteile, die über die reinen Marktpreise am Strommarkt hinausgehen.
Diese Ergebnisse unterstreichen den Nutzen von E-Fahrzeugen als aktive Systeme im Strommarkt und zeigen, dass sich wirtschaftliche und systemdienliche Effekte miteinander verbinden lassen.
Bedeutung für den Stromsektor und die Integration erneuerbarer Energien
Die Einspeisung aus Fahrzeugbatterien unterstützt den Ausgleich von Schwankungen bei Wind- und Solarenergie. Dadurch steigt der Anteil erneuerbarer Energien, während gleichzeitig das Netz stabilisiert wird. Flexibilität wird im Stromsystem zunehmend zu einem zentralen Faktor, da volatile Erzeugungsmengen vermehrt abgefangen werden müssen.
Fahrzeuge, die überwiegend im privaten und gewerblichen Bereich verfügbar sind, bieten genau diese Flexibilität. Sie stellen ihre Speicherkapazität zu Zeiten hoher Erzeugung oder niedriger Preise bereit und geben Energie bei hoher Nachfrage wieder ab. Damit entlastet bidirektionales Laden Kraftwerke, Netze und Verbraucherpreise gleichermaßen.
Trotz des technischen Fortschritts bleiben politische und regulatorische Hürden bestehen. Agora Verkehrswende empfiehlt, insbesondere die Einspeisung ins öffentliche Netz durch geeignete Rahmenbedingungen zu stärken. Flexible Netzanschlussvereinbarungen (Flexible Connection Agreements, FCA) könnten eine Möglichkeit darstellen, Netzentgelte für zwischengespeicherten Strom zu reduzieren.
Das größte Hindernis bleibt jedoch der schleppende Ausbau intelligenter Messsysteme. Ohne Smart Meter lassen sich die notwendigen Datenströme, Preissignale und Abrechnungsmodelle nicht effizient abbilden. Eine beschleunigte Einführung dieser Technik ist daher eine zentrale Voraussetzung für eine breite Nutzung von Vehicle-to-Grid-Anwendungen.
Perspektiven für Pkw- und Nutzfahrzeugflotten
Die Analyse betrachtet drei Szenarien: private E-Pkw ohne Photovoltaik, private Pkw mit Photovoltaikanlage sowie gewerbliche Lkw mit Photovoltaik. Besonders im Nutzfahrzeugsektor wird langfristig eine hohe Relevanz erwartet, da große Batteriekapazitäten und planbare Standzeiten optimale Bedingungen für marktnahe Flexibilitätsangebote bieten.
Für Pkw bleibt die wirtschaftliche Attraktivität vom Zusammenspiel aus Strompreisen, Ladeverhalten und technischen Möglichkeiten abhängig. Hersteller und Wallbox-Anbieter erweitern das Produktangebot stetig, sodass bereits viele Modelle grundlegend bidirektional einsetzbar sind.
Die zunehmende Verbreitung bidirektionaler Ladesysteme beeinflusst auch Prozesse im Service- und Ersatzteilgeschäft. Werkstätten stehen vor neuen Anforderungen an Diagnose, Wartung und Funktionsprüfung der Lade- und Rückspeiseeinheiten. Komponenten wie DC-Wallboxen, Inverter oder Energiemanagementsysteme entwickeln sich zu festen Bestandteilen im Serviceportfolio. Für den Großhandel eröffnet sich ein wachsendes Sortiment rund um Hardware, Schnittstellenmodule und Kommunikationskomponenten, da Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur enger miteinander vernetzt werden. Der technologische Wandel erzeugt somit neue Aufgabenfelder, die Servicequalität und Fachkompetenz stärker in den Mittelpunkt rücken.
Fazit
Bidirektionales Laden entwickelt sich zu einer zentralen Option, um wirtschaftliche Vorteile für Fahrzeugnutzer und systemdienliche Effekte für den Stromsektor miteinander zu verbinden. Die Analyse zeigt, dass die Technologie bereits im Jahr 2030 spürbare Erlöse ermöglichen kann. Technische Voraussetzungen, regulatorische Anpassungen und marktfähige Geschäftsmodelle bleiben jedoch entscheidend, damit das Potenzial der Fahrzeugbatterien als flexible Speicher vollständig erschlossen wird. Quelle: Agora Verkehrswende

