Deutsche Automobilindustrie: Tiefgreifender Transformation

Veröffentlicht am 21.10.2025
Die deutsche Automobilindustrie steht vor einer massiven Neuausrichtung. Ergebnisse des aktuellen Global Automotive Executive Survey von KPMG zeigen, dass deutsche Hersteller und Zulieferer skeptischer in die Zukunft blicken als ihre internationalen Wettbewerber. Technologische Disruption, fragile Lieferketten und veränderte Kundenanforderungen treiben den Handlungsdruck. Besonders auffällig: Während weltweit Effizienz und Partnerschaften dominieren, rücken in Deutschland Themen wie Cybersicherheit, Aftersales-Services mit KI und strategische Allianzen in den Vordergrund. Der Wandel betrifft nicht nur Produkte, sondern auch Geschäftsmodelle und gesamte Wertschöpfungsketten.
 

Die deutsche Automobilindustrie befindet sich in einer kritischen Phase. Laut dem Global Automotive Executive Survey 2025 von KPMG erwarten fast sieben von zehn Unternehmen eine radikale Neuausrichtung ihrer Geschäftsmodelle in den nächsten drei Jahren. Damit liegt Deutschland deutlich über dem internationalen Durchschnitt. Gleichzeitig sehen sich viele Unternehmen unzureichend vorbereitet auf technologische Umbrüche, geopolitische Risiken und den steigenden Anspruch an Kundenerlebnisse.


Tiefer Wandel bei Geschäftsmodellen und Prozessen

69 Prozent der deutschen Automobilunternehmen rechnen laut Umfrage mit grundlegenden Veränderungen in naher Zukunft. International teilt nur gut ein Drittel diese Einschätzung. Der Druck resultiert aus regulatorischen Vorgaben, neuen Technologien wie E-Mobilität und Softwareintegration sowie geopolitischen Unsicherheiten. Besonders auffällig ist die Diskrepanz zwischen der erkannten Dringlichkeit und dem Vertrauen in die eigene Transformationsfähigkeit. Nur 15 Prozent der befragten Unternehmen fühlen sich für den bevorstehenden Wandel ausreichend gewappnet.

Mit 59 Prozent geben deutsche Unternehmen technologische Disruption als größte Herausforderung an. Der internationale Vergleich liegt bei 38 Prozent. Vor allem Fahrzeug- und Cybersicherheit gewinnen an Bedeutung. 65 Prozent der Befragten bewerten sie als entscheidend für die Profitabilität der Zukunft. Damit übersteigt die Relevanz in Deutschland den globalen Durchschnitt deutlich. Investitionen in sichere Softwarearchitekturen und robuste IT-Infrastrukturen dürften deshalb in den kommenden Jahren weiter ansteigen.

Kundenerlebnis rückt in den Fokus

Traditionell liegt der Schwerpunkt in Deutschland eher auf Effizienz als auf Kundenzufriedenheit. Doch erste Veränderungen zeichnen sich ab. 69 Prozent der Unternehmen planen den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, um Aftersales-Services zu personalisieren. Das betrifft beispielsweise Wartungsintervalle, digitale Serviceangebote oder individualisierte Empfehlungen nach dem Fahrzeugkauf. Im internationalen Vergleich (45 Prozent) zeigt sich hier ein klarer Vorreiterstatus. Zudem werden Forschung, Innovation und Design stärker als strategische Erfolgsfaktoren gesehen.

Fragile Lieferketten, steigende Kosten und geopolitische Spannungen führen zu einer Neubewertung globaler Strategien. In Deutschland überprüfen 81 Prozent der Automobilunternehmen ihre Beschaffungsstrukturen. International liegt dieser Wert bei 65 Prozent. Neben Nearshoring und Friendshoring setzen viele Unternehmen verstärkt auf lokale Produktion. Auffällig ist zudem die wachsende Bedeutung von Partnerschaften: 61 Prozent der deutschen Befragten betrachten Allianzen als zentrale Wachstumsstrategie. Allerdings liegt der Fokus weniger auf Kooperationen mit Software- oder KI-Unternehmen. Nur 31 Prozent planen entsprechende Zusammenarbeit, während global 44 Prozent auf digitale Partnerschaften setzen.

Auswirkungen auf Werkstätten und den Teilehandel

Die Veränderungen in Geschäftsmodellen und Fahrzeugtechnologien wirken sich unmittelbar auf Werkstätten und den Großhandel für Ersatzteile aus. Softwarebasierte Fahrzeugfunktionen, vernetzte Systeme und neue Antriebstechnologien erfordern spezielle Diagnosegeräte, regelmäßige Software-Updates und eine engere Verzahnung mit Herstellern. Gleichzeitig verändert sich die Nachfrage nach Ersatzteilen: Während Komponenten für Verbrennungsmotoren langfristig zurückgehen, gewinnen Batteriemodule, Leistungselektronik und Sensorik an Bedeutung. Werkstätten und Teilehändler stehen vor der Aufgabe, ihr Sortiment und ihre Kompetenzen rechtzeitig anzupassen.

Die Digitalisierung verändert nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch die gesamte Wertschöpfungskette. Datengetriebene Geschäftsmodelle werden zu einer neuen Einnahmequelle für Hersteller und Zulieferer. Über Telematik- und Serviceplattformen entstehen zusätzliche Umsatzpotenziale, die auch für den Aftermarket relevant sind. Werkstätten könnten künftig stärker in digitale Serviceketten eingebunden werden, beispielsweise durch vorausschauende Wartung oder automatisierte Teilebestellung. Für den Großhandel eröffnet sich die Chance, durch datenbasierte Logistiklösungen die Versorgungssicherheit zu erhöhen und Kosten zu senken.

Nachhaltigkeit und Regulierung als zusätzliche Treiber

Neben technologischem Fortschritt prägen Nachhaltigkeitsziele und regulatorische Vorgaben die Branche. Emissionsgrenzen, Recyclingquoten und Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft verändern Produktions- und Servicemodelle. Für die Ersatzteilbranche bedeutet das, stärker auf nachhaltige Materialien und wiederaufbereitete Komponenten zu setzen. Remanufacturing gewinnt an Bedeutung, da es sowohl Kosten- als auch Ressourcenvorteile bietet. Werkstätten und Händler, die auf nachhaltige Produkte setzen, können sich frühzeitig Wettbewerbsvorteile sichern.

Die Umfrage verdeutlicht, dass Partnerschaften in Deutschland zunehmend an Gewicht gewinnen. Für Zulieferer, Werkstätten und den Teilehandel ergeben sich daraus Chancen, in neuen Ökosystemen mitzuwirken. Kooperationen mit Softwareanbietern, Energieversorgern oder Logistikunternehmen könnten den Zugang zu innovativen Technologien erleichtern. Auch regionale Netzwerke gewinnen an Bedeutung, um Lieferketten robuster aufzustellen. Der Aufbau solcher Allianzen erfordert jedoch Investitionen und eine klare Strategie, um die eigenen Stärken im Verbund einzubringen.


Fazit

Die deutsche Automobilindustrie steht vor einer der größten Transformationen ihrer Geschichte. Geschäftsmodelle, Produktionsprozesse und Kundeninteraktion werden neu definiert. Der Druck ist enorm, doch wer frühzeitig auf technologische Sicherheit, intelligente Kundenerlebnisse und resiliente Lieferketten setzt, kann die Zukunft aktiv mitgestalten. Entscheidend wird sein, ob Unternehmen die Unsicherheit in Handlungsfähigkeit umwandeln. Die kommenden Jahre werden zeigen, welche Akteure den Wandel erfolgreich bewältigen und wer ins Hintertreffen gerät. Quelle: KPMG

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