Automobilindustrie steht am Startpunkt einer neuen Ära

Veröffentlicht am 21.08.2025
Die deutsche Automobilindustrie gilt beim automatisierten und autonomen Fahren als globaler Vorreiter. Um dieses Potenzial in marktfähige Lösungen zu überführen, sind nun gezielte politische und infrastrukturelle Maßnahmen notwendig. Der VDA und das Bundesverkehrsministerium fordern dafür verbesserte Rahmenbedingungen, eine europaweite Harmonisierung der Zulassungsverfahren und den raschen Ausbau digitaler Infrastruktur. Autonomes Fahren soll nicht nur den Verkehrssektor transformieren, sondern auch Antworten auf den Fahrermangel und die Mobilität im ländlichen Raum liefern.
 

Die deutsche Automobilindustrie sieht sich in einer Schlüsselposition beim Thema autonomes Fahren. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) und das Bundesverkehrsministerium betonen in einem gemeinsamen Treffen die führende Rolle deutscher Hersteller im globalen Wettbewerb. Ziel ist es, Deutschland zum Leitmarkt für autonomes und vernetztes Fahren zu entwickeln – mit Fokus auf Sicherheit, Innovation und wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit.


Industrie fordert politische Rückendeckung

Die deutsche Automobilbranche steht beim hochautomatisierten Fahren bereits an der Spitze. Doch um die nächsten Entwicklungsschritte beim autonomen Fahren zu realisieren, braucht es mehr als technologische Exzellenz. Der VDA fordert, dass politische, infrastrukturelle und rechtliche Rahmenbedingungen schneller angepasst werden. Nur so kann das vorhandene Potenzial voll ausgeschöpft werden – besonders auch im deutschen und europäischen Marktumfeld.

Wesentliche Punkte sind die Stärkung des Innovationsstandorts Deutschland, eine flächendeckend leistungsfähige Mobilfunkinfrastruktur sowie die gezielte Integration autonomer Systeme in den öffentlichen Verkehr. Die Voraussetzungen dafür sind in Teilen vorhanden, müssen aber nun konsequent ausgebaut werden.

Digitalisierung als Schlüssel für Marktdurchdringung

Ein zentraler Baustein ist der Ausbau moderner Mobilfunkstandards. Autonomes Fahren erfordert eine durchgehend stabile Datenverbindung mit hoher Übertragungsrate. Gerade entlang von Hauptverkehrsrouten, wie Autobahnen und Bundesstraßen, ist eine flächendeckende Netzabdeckung entscheidend für die sichere und zuverlässige Funktion autonomer Systeme.

Zudem müsse die Forschungsförderung stärker auf praxisnahe Anwendungen ausgerichtet werden. Nur wenn die Entwicklung nah am realen Einsatz stattfindet, kann die Technik marktreif und gleichzeitig bezahlbar werden. Der VDA plädiert hier für eine enge Verzahnung von Industrie, Forschungseinrichtungen und öffentlicher Hand.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Integration autonomer Fahrzeuge in bestehende Mobilitätskonzepte – besonders im ländlichen Raum. Hier könnten fahrerlose Shuttlebusse oder Transportdienste Versorgungslücken schließen, die der ÖPNV heute nicht abdeckt. Neben der Erhöhung der Lebensqualität ist das auch eine Reaktion auf den akuten Mangel an Berufskraftfahrern.

Langfristig kann autonomes Fahren helfen, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und neue Mobilitätsangebote für Menschen mit Einschränkungen zu schaffen. Besonders im Logistikbereich wird das Potenzial gesehen, Engpässe beim Personal durch automatisierte Lieferfahrzeuge abzufedern.

Einheitliche Genehmigungsprozesse auf europäischer Ebene gefordert

Um den Markthochlauf nicht durch Bürokratie auszubremsen, fordert der VDA eine EU-weite Harmonisierung der Genehmigungsverfahren für autonome Fahrzeuge und Teststrecken. Aktuell sind Zulassungen oft länderspezifisch geregelt, was den grenzüberschreitenden Einsatz massiv erschwert.

Ein vereinfachter, europaweit einheitlicher Prozess soll die Entwicklung beschleunigen und für Planungssicherheit bei Herstellern und Zulieferern sorgen. Nur so lässt sich das Ziel eines flächendeckenden Einsatzes autonomer Systeme realisieren.

Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder unterstreicht das Engagement der Bundesregierung. Der gesetzliche Rahmen sei geschaffen, jetzt gehe es um die konkrete Umsetzung und Markteinführung. Die enge Zusammenarbeit mit der Automobilindustrie sei dabei essenziell.

Die Strategie ist klar: Je mehr autonome Fahrzeuge sicher im Alltag unterwegs sind, desto größer wird die gesellschaftliche Akzeptanz. Vor allem in Regionen mit schlechter Anbindung könnten neue Angebote einen echten Mehrwert schaffen – nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu bestehenden Mobilitätsformen.

Ökosystem für autonomes Fahren muss weiterentwickelt werden

Damit autonome Fahrzeuge sicher und effizient betrieben werden können, reicht es nicht aus, nur die Fahrzeuge selbst zu entwickeln. Vielmehr braucht es ein ganzheitliches Ökosystem, das alle relevanten Infrastrukturelemente umfasst. Dazu zählen intelligente Verkehrsleit- und Leitsysteme, digitale Karten in Echtzeit, interoperable Kommunikationsstandards zwischen Fahrzeug und Umgebung (V2X) sowie flächendeckende Cloud-Anbindungen. Besonders im Mischverkehr mit konventionell betriebenen Fahrzeugen und schwächeren Verkehrsteilnehmern wie Radfahrern und Fußgängern ist eine verlässliche Umgebungserfassung entscheidend. Der Aufbau dieses Ökosystems stellt sowohl für die öffentliche Hand als auch für die Industrie eine gemeinsame Zukunftsaufgabe dar.

Die deutsche Zulieferindustrie nimmt im Bereich automatisiertes und autonomes Fahren eine Schlüsselrolle ein. Sie entwickelt zentrale Komponenten wie Sensoren, Steuergeräte, Hochleistungsrechner, Softwarelösungen und Aktuatoren, die für das Funktionieren autonomer Systeme unerlässlich sind. Gleichzeitig verschiebt sich die klassische Aufgabenteilung: Zulieferer übernehmen zunehmend Systemverantwortung und bieten Komplettlösungen für bestimmte Fahrzeugfunktionen an. Die vertikale Integration nimmt ab, während Kooperationen und modulare Plattformstrategien zunehmen. Für mittelständische Zulieferbetriebe bedeutet das eine Umstellung ihrer Geschäftsmodelle – gleichzeitig entstehen neue Marktchancen im Bereich Software, Datenverwertung und Cybersecurity.

Testfelder und Pilotprojekte als Motor der Marktentwicklung

In Deutschland laufen bereits zahlreiche Pilotprojekte, die die Praxistauglichkeit autonomer Mobilitätslösungen demonstrieren sollen. Von autonom fahrenden Shuttlebussen in ländlichen Regionen bis zu automatisierten Logistikkonzepten auf Betriebshöfen und Teststrecken – solche Projekte liefern wichtige Erkenntnisse über Technik, Akzeptanz und regulatorische Hürden. Besonders hervorzuheben sind Initiativen wie das Testfeld Niedersachsen, das digitale Testfeld Autobahn (DTA) oder Pilotprojekte in Hamburg und München. Diese Projekte zeigen, wie ein Zusammenspiel von Wirtschaft, Kommunen und Wissenschaft funktionieren kann. Entscheidend wird sein, die gewonnenen Erkenntnisse schnell in seriennahe Anwendungen zu überführen.

Trotz technologischer Fortschritte bleibt die gesellschaftliche Akzeptanz ein kritischer Faktor für den Markterfolg autonomer Fahrzeuge. Studien zeigen, dass viele Menschen noch Vorbehalte gegenüber der Sicherheit und Kontrolle bei autonomen Systemen haben. Klare gesetzliche Rahmenbedingungen, nachvollziehbare Sicherheitskonzepte und transparente Kommunikation seitens der Hersteller können helfen, Vertrauen aufzubauen. Besonders bei Anwendungen im öffentlichen Raum – etwa im ÖPNV oder bei Lieferrobotern – spielt die Alltagserfahrung eine große Rolle. Erst wenn autonome Fahrzeuge als verlässlich und sicher wahrgenommen werden, steigt auch die Bereitschaft, diese Technologie aktiv zu nutzen. Pilotprojekte mit direktem Kundenkontakt sind daher von zentraler Bedeutung für den Imageaufbau.


Fazit

Die deutsche Automobilindustrie verfügt über das Know-how und die technologische Basis, um beim autonomen Fahren weltweit Maßstäbe zu setzen. Damit aus technischer Führerschaft auch wirtschaftlicher Erfolg wird, braucht es gezielte politische Unterstützung, eine moderne Infrastruktur und einheitliche Genehmigungsverfahren auf EU-Ebene. Autonomes Fahren ist dabei mehr als ein Zukunftsversprechen – es kann Antworten auf reale Herausforderungen wie Fahrermangel, unzureichende Anbindung ländlicher Regionen und Verkehrssicherheit liefern. Quelle: VDA

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