Der Bericht des gemeinsamen IMCO- und ENVI-Ausschusses zum Thema Kreislaufwirtschaft und Fahrzeuglebensdauer ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer offenen und nachhaltigen Automobilwirtschaft in Europa. Die neuen Vorgaben, zusammengefasst unter dem Dossier „2023/0284 COD“, definieren Anforderungen an Konstruktion, Sammlung, Behandlung und Wiederverwertung von Fahrzeugen.
Ziel ist es, Ressourcen zu schonen, Abfälle zu reduzieren und die Umweltauswirkungen während des gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs zu verringern. FIGIEFA unterstützt den Vorschlag ausdrücklich, insbesondere im Hinblick auf faire Marktbedingungen und den freien Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen.
Alle Dokumenten zum Beschluss finden sich auf der Website des europäischen Parlaments: Hier klicken.
Klare Definitionen sichern Marktzugang für unabhängige Marktteilnehmer
Ein zentrales Element des Berichts ist die überarbeitete Definition von Instandsetzungs- und Wartungsunternehmen. Diese orientiert sich nun stärker an der bereits bestehenden Typgenehmigungsverordnung und stellt klar, dass sämtliche Unternehmen entlang der automobilen Wertschöpfungskette – vom freien Teilehandel bis hin zu spezialisierten Werkstätten – einbezogen sind. Diese Präzisierung stärkt die rechtliche Sicherheit und erleichtert die praktische Umsetzung innerhalb der Kreislaufwirtschaft.
Darüber hinaus erhält der Begriff „Wiederaufarbeitung“ eine klare Kontur. Das schafft die Grundlage dafür, dass wiederaufgearbeitete Ersatzteile künftig als vollwertiger Bestandteil des zirkulären Fahrzeugmarkts gelten. Für den Ersatzteilgroßhandel und Kfz-Betriebe ist dies ein wichtiges Signal: Wiederaufarbeitung wird als gleichwertige Alternative zur Neuproduktion anerkannt.
Technische Informationen und Konstruktionsanforderungen im Fokus
Der Berichts legt neue Konstruktionsanforderungen für Fahrzeuge fest. Künftig sollen Fahrzeuge so entwickelt werden, dass Komponenten einfacher wiederverwendet, ausgetauscht, aufgearbeitet oder recycelt werden können. Diese Vorgaben betreffen direkt die Hersteller, schaffen aber auch neue Chancen für den unabhängigen Aftermarket. Entscheidend ist dabei der Zugriff auf technische Informationen. Nur mit vollständigem Zugang zu Daten und Reparaturanleitungen können freie Werkstätten und Teilehändler im Wettbewerb bestehen.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Anhang I führt objektive Kriterien ein, um zu bestimmen, wann ein Fahrzeug tatsächlich technisch irreparabel ist. Diese Maßnahme soll verhindern, dass Fahrzeuge vorschnell als Altfahrzeuge deklariert und damit aus dem Verkehr gezogen werden – obwohl wirtschaftlich tragfähige Reparaturen durchaus möglich wären. Für den Kfz-Aftermarket bedeutet das: weniger unnötiger Schrott, mehr Reparaturvolumen, mehr Umweltschutz durch Ressourcenschonung.
FIGIEFA, die europäische Interessenvertretung des freien Kfz-Teilehandels, begrüßt die Beschlüsse des Ausschusses und appelliert an das Parlament, diese bei der Plenarabstimmung im September vollständig zu übernehmen. Gleichzeitig richtet sich der Appell auch an den Rat der EU und die Europäische Kommission, die vom Parlament eingebrachten Verbesserungen in den Trilog-Verhandlungen im Jahr 2025 zu unterstützen.
Besonders ist entscheidend für die Gestaltung einer echten Kreislaufwirtschaft im Automobilsektor. Sie sind Voraussetzung dafür, dass unabhängige Marktteilnehmer weiterhin wirtschaftlich agieren und gleichzeitig einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz leisten können.
End-of-Life Vehicle Regulation: Was bedeutet dies für Handel und Werkstatt?
Bedeutung für den freien Kfz-Ersatzteilmarkt
Die neue Altfahrzeugverordnung bzw. End-of-Life-Vehicle Regulation wirkt sich direkt auf den freien Kfz-Ersatzteilmarkt aus. Durch die Stärkung des Zugangs zu technischen Informationen und die klare Anerkennung wiederaufbereiteter Teile wird die Position des Aftermarket deutlich verbessert. Freie Ersatzteillieferanten erhalten so mehr Planungssicherheit und können sich langfristig besser auf steigende Anforderungen an Nachhaltigkeit einstellen. Besonders für Anbieter, die sich auf wiederaufbereitete Komponenten spezialisiert haben, ergibt sich daraus ein stabilerer rechtlicher Rahmen und die Möglichkeit, neue Geschäftsfelder im Bereich der nachhaltigen Mobilität zu erschließen.
Auch der Ersatzteilgroßhandel profitiert von der künftigen Gleichstellung von Neu- und Austauschteilen. Die Rückführung von gebrauchten Bauteilen in den Wirtschaftskreislauf stärkt nicht nur den Ressourcenschutz, sondern steigert auch die Vielfalt an angebotenen Produkten und Dienstleistungen. Damit wächst der Handlungsspielraum für alle Beteiligten im freien Marktsegment – sowohl wirtschaftlich als auch technisch.
Trotz der positiven Impulse wirft die Verordnung auch praxisrelevante Fragen auf. Die Umsetzung der neuen Konstruktionsanforderungen gemäß Artikel 7 wird für Fahrzeughersteller mit erheblichem Entwicklungsaufwand verbunden sein. Gleichzeitig stellt sich für unabhängige Marktteilnehmer die Frage, wie technische Informationen in der Praxis bereitgestellt werden und in welchem Umfang die Daten nutzbar sind.
Die technische Dokumentation muss maschinenlesbar, vollständig und ohne diskriminierende Einschränkungen verfügbar sein. Dies gilt insbesondere für Informationen zu sicherheitsrelevanten Systemen, die bisher häufig nur eingeschränkt zugänglich waren. Entscheidend wird sein, ob die Verordnung Mechanismen vorsieht, um Verstöße konsequent zu ahnden – etwa durch eine unabhängige Aufsichtsstruktur oder Beschwerdestellen.
Fazit
Die Abstimmung im Europäischen Parlament ist ein wichtiges Signal für mehr Transparenz, Fairness und ökologische Verantwortung in der Automobilbranche. Klare Begriffsdefinitionen, technische Zugangsrechte und eine konstruktive Regelung zur Fahrzeugverwertung stärken vornehmlich die Position des freien Aftermarkets. Für Werkstätten und Teilegroßhändler ergeben sich daraus neue Chancen – vorausgesetzt, die Änderungen setzen sich auch in der finalen Gesetzgebung durch. Die kommenden Monate werden zeigen, ob der politische Wille vorhanden ist, den Automobilsektor tatsächlich zirkulär zu gestalten. Quelle: FIGIEFA