Neue Regeln für das Verbrenner-Aus ab 2035

Veröffentlicht am 18.12.2025
Mehr Flexibilität für Hersteller, aber mit klaren Bedingungen: Das ursprünglich geplante vollständige Verbot für Neuzulassungen von Verbrennerfahrzeugen ab 2035 wird von der EU-Kommission gelockert. Statt einer 100-prozentigen CO₂-Reduktion wird nun eine Reduktion um 90 Prozent im Vergleich zu 2021 gefordert. Plug-in-Hybride, Range Extender und klimaneutrale Kraftstoffe erhalten eine neue Rolle. Gleichzeitig sollen E-Kleinwagen durch sogenannte „Super Credits“ gefördert werden. Auch für Dienstwagenflotten gibt es neue Vorgaben. Der Überblick zeigt, wie sich die Regularien für Hersteller, Handel und Werkstätten ändern.
 

Das von der EU-Kommission beschlossene Verbrenner-Aus für das Jahr 2035 war lange als klarer Schnitt kommuniziert worden: Ab diesem Jahr sollten nur noch emissionsfreie Fahrzeuge neu zugelassen werden. Nun folgt eine bedeutsame Korrektur. Statt eines Totalverbots für Verbrenner wird der zulässige Emissionswert auf Flottenbasis lediglich um 90 Prozent gegenüber dem Stand von 2021 reduziert. Die technische Öffnung ermöglicht weiterhin eine begrenzte Nutzung von Verbrennungsmotoren – unter klar definierten Auflagen. Zugleich werden neue Anreize für die Produktion günstiger E-Autos geschaffen, was vor allem Volumenhersteller betrifft.


Zielmarke: 90 Prozent statt 100 Prozent CO₂-Reduktion

Statt eines vollständigen Verbrenner-Stopps ab 2035 sieht die überarbeitete Regulierung nun eine CO₂-Reduktion um 90 Prozent vor – bezogen auf die durchschnittlichen Emissionen der Flotte eines Herstellers im Vergleich zum Jahr 2021. Die Maßnahme soll technologische Offenheit gewährleisten, ohne das Ziel der Klimaneutralität aus den Augen zu verlieren. Hersteller erhalten dadurch mehr Flexibilität bei der Transformation, insbesondere im Umgang mit bestehenden Plattformen und Übergangstechnologien.

Restemissionen nur unter strengen Bedingungen erlaubt

Die verbleibenden zehn Prozent der Emissionen müssen durch verbindliche Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen werden. Die EU unterscheidet dabei zwei Hauptkomponenten:

  • 30 Prozent über alternative Kraftstoffe: Hierzu zählen klimaneutrale Energieträger wie E-Fuels, Biokraftstoffe oder Biogas. Sie sollen gezielt für die verbleibenden Verbrenner eingesetzt werden, deren Nutzung nachweislich nicht durch Elektromobilität ersetzt werden kann.
  • 70 Prozent über industrielle Maßnahmen: Der größte Teil der Kompensation muss durch den Einsatz CO₂-armer Materialien erfolgen – etwa grüner Stahl, der in der EU ohne fossile Energien produziert wird. Diese Regelung soll nicht nur Emissionen senken, sondern auch die angeschlagene europäische Stahlindustrie unterstützen.

Plug-in-Hybride und Range Extender bleiben zulässig

Anders als bei der ursprünglichen Fassung des Verbrenner-Verbots dürfen nun auch nach 2035 weiterhin Plug-in-Hybride und Fahrzeuge mit sogenanntem Range Extender zugelassen werden. Beide Antriebstechnologien setzen auf eine Kombination aus Elektromotor und einem Verbrenner, der je nach Auslegung direkt oder indirekt zur Fortbewegung beiträgt. Die Zulassung erfolgt jedoch nur, wenn auch hier eine entsprechende Kompensation durch klimafreundliche Kraftstoffe oder Industrieprozesse erfolgt.

Für Werkstätten bedeutet dies, dass Hybridtechnologien auch langfristig gewartet und repariert werden müssen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Ersatzteilversorgung, Diagnosetechnik und Schulung.

Förderung günstiger E-Kleinwagen durch „Super Credits“

Auf Drängen von Frankreich und Spanien wird ein neues Anreizsystem eingeführt: Hersteller erhalten sogenannte Super Credits für die Produktion von elektrischen Kleinwagen mit hoher europäischer Wertschöpfung. Diese Fahrzeuge – meist unter 4,20 Meter Länge – werden überproportional positiv auf die CO₂-Bilanz eines Herstellers angerechnet.

Ziel ist die Förderung günstiger Einstiegsmobilität im urbanen Raum. Für den Großhandel ergibt sich daraus eine wachsende Nachfrage im Bereich kleiner E-Fahrzeuge, insbesondere bei Marken wie Renault, Fiat und Volkswagen, die bereits entsprechende Modelle im Portfolio haben.

Aufweichung des Zwischenziels 2030

Ein weiteres zentrales Element der überarbeiteten Strategie ist die zeitliche Streckung des CO₂-Zwischenziels für das Jahr 2030. Statt ein starres Einzeljahr zu bewerten, werden nun die Jahre 2030 bis 2032 als Zielkorridor zusammengefasst. Eine ähnliche Streckung wurde bereits für den Zeitraum 2025 bis 2027 beschlossen. Das erleichtert es Herstellern, technologische und logistische Herausforderungen über einen längeren Zeitraum zu verteilen.

Neue Flottenvorgaben für Dienstwagen

Ein besonders dynamischer Bereich ist die gewerbliche Mobilität. Die EU verpflichtet alle Mitgliedstaaten, nationale Quoten zur Elektrifizierung von Firmenflotten einzuführen – abgestimmt auf Wirtschaftskraft und bisherigen Elektroanteil. Deutschland muss demnach bis 2030 erreichen, dass mindestens 54 Prozent aller neu zugelassenen Dienstwagen elektrisch fahren. Bis 2035 steigt dieser Anteil auf 95 Prozent. Derzeit liegt die Quote bei rund 21 Prozent.

Für kleine und mittlere Unternehmen gibt es Ausnahmen. Fuhrparks dieser Betriebe müssen keine neuen Regelungen erfüllen. Dennoch bleibt der Einfluss auf den Gesamtmarkt erheblich, denn rund 60 Prozent aller Neuzulassungen in der EU entfallen auf gewerbliche Fahrzeuge.

Auswirkungen auf das Dienstwagenprivileg

Deutschland wird bei der Umsetzung voraussichtlich steuerliche Maßnahmen einsetzen, etwa eine stärkere Förderung vollelektrischer Fahrzeuge durch reduzierte geldwerte Vorteile. Gleichzeitig verlangt die EU eine Anpassung des Dienstwagenprivilegs: Benziner und Diesel ohne Elektrounterstützung sollen künftig nicht mehr begünstigt werden. Damit erhöht sich der Druck auf Unternehmen, ihre Fahrzeugstrategien neu auszurichten.

Flexibilität mit klaren Rahmenbedingungen

Auch wenn das ursprüngliche Verbrenner-Aus de facto aufgeweicht wird, bleibt das Ziel einer weitgehenden Dekarbonisierung des Verkehrssektors bestehen. Die neuen Vorgaben bieten Spielräume, setzen aber gleichzeitig auf eine stärkere Einbindung nachhaltiger Technologien und Wertschöpfungsketten innerhalb Europas.

Für Kfz-Werkstätten und den Ersatzteilhandel bedeutet die Verlängerung hybrider Technologien eine längere Versorgung von Komponenten für einen konventionellen Verbrenner Motor. Dennoch, neue Kompetenzen in Hochvolt-Technik, Batteriediagnose und Softwaremanagement gewinnen ebenso an Bedeutung wie der gezielte Umgang mit synthetischen Kraftstoffen und emissionsoptimierten Materialien.

De Gesamtverband Autoteile Handel (GVA) kommentiert:

Wir begrüßen ausdrücklich, dass die bereits ursprünglich geplante Überprüfung stattgefunden hat und die Entscheidung zum sog. „Verbrenner-Aus“ seitens der EU-Kommission angepasst wurde. Es besteht jedoch keinesfalls, wie oft suggeriert, eine endgültige Entscheidung. Das EU-Parlament und der EU-Ministerrat müssen noch zustimmen. Erfreulich ist der Erkenntnisgewinn der EU-Kommission, dass die Grundlage für eine Elektrifizierung des Straßenverkehrs, seien es Infrastruktur oder Kundenwünsche, nicht dem angepeilten Niveau entspricht. Die EU-Kommission passt ihre Vorstellungen der Realität an, nicht umgekehrt. Was fehlt, bzw. nicht ausreichend berücksichtigt wird, ist die Einbeziehung des großen Bestandes an Fahrzeugen mit Verbrennern in diesen Prozess. Es wird zu stark auf reine Neuzulassungen geschaut statt den Bestand beim Klimaschutz mit einzubeziehen, z.B. durch eine technologieoffene Förderung beim Kraftstoff, wozu aus unserer Sicht auch klimaneutrale E-Fuels gehören. Wir brauchen alle Technologien, die der Dekarbonisierung und dem Klimaschutz im Straßenverkehr dienen.

Lesen Sie auch:

Fazit: Strategiewechsel mit Augenmaß

Mit der neuen Auslegung des Verbrenner-Aus sendet die EU ein Signal der Anpassung an wirtschaftliche und geopolitische Realitäten. Hersteller erhalten mehr Zeit und Flexibilität, um die Elektrifizierung voranzutreiben, ohne abrupt bestehende Technologien zu beenden. Für den Automotive Aftermarket entstehen daraus neue Chancen – aber auch Herausforderungen bei Schulung, Technik und Sortiment. Q EU-Kommission

FAQ

Wie sieht das Verbrenner-Aus ab 2035 jetzt genau aus?

Ab 2035 dürfen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor weiter verkauft werden, wenn sie bestimmte CO₂-Kompensationsbedingungen erfüllen. Eine 100-prozentige Reduktion ist nicht mehr erforderlich – stattdessen müssen 90 Prozent der Emissionen eingespart werden, der Rest wird kompensiert.

Welche Rolle spielen Plug-in-Hybride nach 2035?

Plug-in-Hybride bleiben nach 2035 zulässig, sofern ihre Emissionen durch alternative Kraftstoffe oder CO₂-arme Materialien ausgeglichen werden. Hersteller müssen dies transparent nachweisen. Werkstätten müssen sich langfristig auf Hybridtechnik einstellen.

Was sind „Super Credits“ und wie funktionieren sie?

„Super Credits“ sind Bonuspunkte für Hersteller, die kleine, erschwingliche E-Autos mit hoher europäischer Wertschöpfung produzieren. Diese Fahrzeuge werden überproportional auf die CO₂-Flottenbilanz angerechnet. Ziel ist die Förderung günstiger Elektromobilität im städtischen Raum.


Welche Auswirkungen haben die neuen Dienstwagenregeln?

Bis 2030 müssen in Deutschland mindestens 54 Prozent aller neu zugelassenen Dienstwagen elektrisch sein. Das Dienstwagenprivileg soll zudem reformiert werden und künftig nur noch für Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb gelten. Ausnahmen gibt es für kleinere Unternehmen.

Rate this post
Teile diesen Beitrag

Teile diesen Beitrag

scroll to top