Oldtimer erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit – nicht nur als nostalgische Blickfänger, sondern auch als wirtschaftlich relevanter Bestandteil der Automobilkultur. Die Classic-Studie 2025 von Wolk & Nikolic, in Zusammenarbeit mit Branchenverbänden wie VDA, VDIK und ZDK, zeigt: 82 Prozent der autofahrenden Bevölkerung sehen historische Fahrzeuge gern auf der Straße. Gleichzeitig beleuchtet die Studie zentrale Herausforderungen der Classic-Branche – insbesondere im Bereich Nachwuchs, Know-how-Sicherung und Teileversorgung.
Emotionale Bindung und stabile Marktstruktur
Der positive Imagewert klassischer Fahrzeuge bleibt ungebrochen. Trotz sinkender Neuzulassungen im Jahr 2024 zählt der Markt rund 1,45 Millionen Oldtimer mit einem Fahrzeugalter von mindestens 30 Jahren. Zusammen mit den jüngeren Youngtimern (20 bis 29 Jahre) ergibt sich eine stabile Marktgröße mit Perspektive. Die durchschnittliche Jahresfahrleistung von Oldtimern liegt bei lediglich 2.500 Kilometern, was einer Umweltbelastung von nur 0,6 Prozent aller gefahrenen Pkw-Kilometer entspricht.
Finanziell betrachtet ist das Segment keineswegs zu unterschätzen: Oldtimer-Halter investieren rund 90 Cent pro gefahrenem Kilometer – allein in Unterhalt und Wartung. Damit entsteht eine nicht unerhebliche Wertschöpfung, von der auch Kfz-Werkstätten, Teilehändler und spezialisierte Dienstleister profitieren.
Ein struktureller Wandel zeichnet sich dennoch ab. Die Studie verdeutlicht: Das Durchschnittsalter der Oldtimer-Halter liegt weiterhin bei über 60 Jahren. Gleichzeitig rücken neue Generationen mit Fahrzeugen der 1990er- und frühen 2000er-Jahre nach. Damit verändert sich nicht nur das Fahrzeugportfolio, sondern auch der Anspruch an Kommunikation und Service. Digitale Lösungen und Online-Kommunikation gewinnen zunehmend an Bedeutung – nicht nur beim Teilekauf, sondern auch bei der Vermittlung von Fachwissen.
Fachkräftemangel und Teileversorgung als kritische Punkte
Trotz der stabilen Ausgangslage steht die Branche vor ernstzunehmenden Herausforderungen. Zentrale Problemfelder sind der zunehmende Fachkräftemangel in Werkstätten sowie die teilweise mangelhafte Versorgung mit Ersatzteilen. Während einige Marken gut versorgt sind, gibt es bei anderen erhebliche Engpässe. Besonders kritisch wird die Situation bei speziellen Fahrzeugmodellen, für die es teils keine oder nur sehr schwer verfügbare Ersatzteile gibt.
Die Studie hebt hervor, dass der langfristige Fortbestand vieler Werkstätten maßgeblich vom Erhalt des Know-hows abhängt. Viele Betriebe befinden sich im Übergang zur Nachfolgegeneration. Ohne rechtzeitige Organisation der Unternehmensnachfolge droht der Verlust wertvoller Spezialkompetenz im Bereich klassischer Fahrzeuge. Der Wissenstransfer innerhalb der Betriebe muss daher neu gedacht werden – auch mithilfe digitaler Dokumentation und Qualifizierungsmaßnahmen.
Ein wesentlicher Hebel liegt in der stärkeren Zusammenarbeit innerhalb der Branche. Die Experten von Wolk & Nikolic empfehlen, durch gezielte Kooperationen in der Teileversorgung neue Wege zu gehen – etwa durch gemeinsame Lagerhaltung, Nachfertigungen in Kleinserie oder internationale Sourcing-Strategien. Gleichzeitig braucht es klare politische Rahmenbedingungen, die dem Classic-Segment auch langfristig Bestandssicherheit bieten.
Mit Blick auf die nächsten fünf bis sieben Jahre prognostiziert die Studie eine stabile Entwicklung. Zunehmend geraten aber auch Volumenfahrzeuge aus den 90er- und 2000er-Jahren in den Fokus, was den Markt in eine neue Richtung lenken könnte – hin zu günstigeren Einstiegsmöglichkeiten für eine jüngere Zielgruppe.
Werkstattkompetenz als Schlüsselressource
Der Erhalt und die Pflege klassischer Fahrzeuge sind stark abhängig von spezialisierten Werkstätten mit entsprechendem Fachwissen. Viele Oldtimer benötigen individuelle Reparaturen, spezielle Einstellarbeiten oder handwerkliches Können bei Karosserie und Technik. Die Studie zeigt, dass gerade kleinere Betriebe mit hoher Spezialisierung in der Szene besonders gefragt sind. Gleichzeitig wird deutlich, dass ohne gezielte Nachwuchsförderung und interne Wissenssicherung wertvolle Fähigkeiten verloren gehen. Der Aufbau von Werkstattnetzwerken und der gezielte Wissenstransfer zwischen Alt und Jung gelten daher als zentrale Zukunftsaufgaben.
Fahrzeuge der 1990er- und frühen 2000er-Jahre bilden eine wachsende Säule im Classic-Markt. Diese Youngtimer-Generation bietet für viele Einsteiger einen kostengünstigen Zugang zur Szene – sowohl in der Anschaffung als auch im Unterhalt. Besonders beliebt sind dabei Modelle mit robustem Charakter, einfacher Technik oder markentypischem Design. Die Studie belegt, dass viele Halter bewusst auf Originalität achten und zunehmend bereit sind, in hochwertige Teile und sachkundige Instandsetzung zu investieren. Diese Entwicklung belebt nicht nur den Handel mit Ersatzteilen, sondern auch das Dienstleistungsangebot spezialisierter Betriebe.
Potenziale digitaler Lösungen
Mit dem Generationenwechsel in der Szene steigt auch die Akzeptanz digitaler Angebote. Ob Online-Marktplätze für Teile, spezialisierte Foren, Datenbanken für Fahrzeughistorien oder digitale Werkstattplaner – die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten im Bereich Beratung, Beschaffung und Community-Aufbau. Die Studie sieht hier insbesondere für Werkstätten und Händler Chancen zur Kundenbindung. Digitale Sichtbarkeit und Serviceangebote wie Online-Terminbuchungen, 3D-Teilekataloge oder individualisierte Fahrzeugprofile könnten künftig zum Standard werden und klassische Geschäftsmodelle sinnvoll ergänzen.
Die Zukunft des Classic-Segments hängt nicht zuletzt von politischen Entscheidungen ab. Diskussionen um Umweltzonen, CO₂-Bilanzen und alternative Antriebe wirken auch auf die Wahrnehmung und Nutzung historischer Fahrzeuge. Die Studie betont jedoch, dass Oldtimer aufgrund ihrer geringen Fahrleistung nur minimal zur Emissionsbelastung beitragen. Ein sachlicher Dialog zwischen Branche und Politik ist deshalb entscheidend, um langfristige Planungssicherheit für Halter und Betriebe zu gewährleisten. Mittelfristig gehen die Autoren von einer moderaten, aber stabilen Entwicklung des Markts aus – speziell durch die Verlagerung hin zu preislich attraktiveren Volumenmodellen und einer insgesamt breiteren Zielgruppe.
Fazit
Der Classic-Markt steht auf einem soliden Fundament. Die emotionale Bindung der Bevölkerung, gepaart mit relevanter Wertschöpfung, sichert dem Segment auch künftig eine starke Position im Kfz-Aftermarket. Dennoch zeigen sich wachsende Spannungsfelder, vornehmlich im Bereich Teileversorgung und Fachkräfteentwicklung. Hier sind innovative Ansätze und langfristige Strategien gefragt, um die Attraktivität und Funktionsfähigkeit der Classic-Branche auch in Zukunft zu erhalten. Quelle: Wolk & Nikolic