Der Aftermarket steht vor tiefgreifenden Veränderungen – nicht nur durch neue Fahrzeugtechnologien, sondern vor allem durch neue Datenquellen. Bas Wintjes von WESP referierte beim Clepa Aftermarket Konferenz.
Während sich viele Marktstudien auf Zulassungszahlen und Teilesortimente stützen, bietet die Auswertung realer Werkstattdaten einen deutlich präziseren Blick auf das Marktgeschehen. WESP zeigt anhand von Daten aus über 3.600 Werkstätten, wie fundierte Analysen in Zukunft strategische Entscheidungen im Handel und Service prägen werden.
Echtzeitdaten aus 3.600 Werkstätten: Der neue Standard
Im Zentrum stehen anonymisierte Daten aus den Dealer-Management-Systemen von Werkstätten. Diese werden täglich automatisiert ausgelesen, standardisiert (nach TecDoc, K-Typen etc.) und in strukturierte Dashboards überführt. Dadurch entsteht ein realistisches Abbild des Teileabsatzes, der Werkstattumsätze sowie der konkreten Werkstattprozesse – differenziert nach Fahrzeugarten, Baujahren, Antriebsarten und Serviceumfängen.
Diese Daten lassen sich nicht nur zur internen Prozessoptimierung nutzen, sondern auch für zielgerichtete Vertriebsmaßnahmen im Großhandel, zur Portfolioanalyse bei Teileherstellern und für Business-Intelligence-Anwendungen im B2B2C-Umfeld.
E-Fahrzeuge im Realitätscheck: Weniger Teile, aber nicht günstiger
Ein zentrales Diskussionsthema im Markt ist der Einfluss der Elektromobilität auf das Aftersales-Geschäft. Die Analyse von über 50.000 E-Fahrzeugen mit vollständiger Jahresabrechnung zeigt: Im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor sind die Teileumsätze deutlich geringer – im Schnitt 42 Euro weniger pro Fahrzeug. Der Verkauf von Ölprodukten sinkt drastisch, ebenso der Bedarf an klassischen Verschleißteilen.
Gleichzeitig zeigt die Untersuchung: Die durchschnittlichen Wartungskosten sind bei E-Fahrzeugen nicht niedriger – im Gegenteil. Einzelne Reparaturen schlagen mit hohen Kosten zu Buche, auch wenn die häufigste Rechnungssumme (Modus) geringer ausfällt. Damit wird klar: Die Elektrifizierung führt zwar zu einem veränderten Teilemix, aber nicht zwingend zu sinkenden Gesamtumsätzen – vor allem nicht für Werkstätten, die ihre Stundensätze entsprechend anpassen können.
Flottenkunden im Fokus – mit ambivalenter Wirkung
Die Bedeutung des Flottengeschäfts wächst, doch für viele freie Werkstätten bedeutet das auch eine strategische Abwägung. Angesichts des Fachkräftemangels und höherer Zahlungsbereitschaft privater Kunden, priorisieren manche Werkstätten lieber Privatkunden als aufwendig abzurechnende Flottenkunden. Gleichzeitig zeigen die Daten, dass Flottenumsätze planbar sind und bei richtiger Ansprache stabile Margen bringen können – sofern die Prozesse stimmen.
Datenbasierte Empfehlungen für Flottenmanagement, gezielte Teilevorschläge und prädiktive Wartungszyklen sind hier essenzielle Bausteine, um sich als zuverlässiger Partner zu positionieren.
Sortimentsanalyse: Produktportfolios endlich faktenbasiert steuern
Einer der wichtigsten Use Cases: Die datenbasierte Optimierung von Produktportfolios. Mithilfe eines speziell entwickelten APIs lassen sich OE-Teilenummern in Echtzeit mit realen Sell-Out-Zahlen aus dem Werkstattalltag abgleichen. Damit wird nicht nur die VIO (Vehicle in Operation), sondern auch die tatsächliche Ersatzteil-Nachfrage messbar.
Beispiel: Ein Alternator mit einer VIO-Abdeckung von 4.318 Fahrzeugen zeigt eine reale Austauschquote von 1,03 %. Daraus lässt sich die Marktgröße exakt berechnen. Hersteller und Großhändler erkennen so, ob ihre Artikel die relevanten Umsätze abdecken – oder ob Lagerhaltung und SKU-Vielfalt überdimensioniert sind. In einem Vergleich lagen zwei Anbieter mit ähnlicher VIO-Abdeckung, aber stark unterschiedlicher Marktabdeckung und SKU-Anzahl weit auseinander – mit entsprechendem Effizienzverlust.
Von Beratung zu Predictive Maintenance: Die Zukunft ist vernetzt
Ein weiteres Anwendungsfeld: prädiktive Wartungsempfehlungen. Durch die Kombination historischer Werkstattdaten mit Wartungsvorgaben aus Herstellervorgaben lassen sich konkrete Servicebedarfe pro Fahrzeug berechnen. Beispiel: Ein Innenraumfilter, der laut Werkdaten alle 24 Monate gewechselt werden sollte, wurde im untersuchten Fahrzeug zuletzt vor 65 Monaten getauscht. Solche Informationen lassen sich direkt in Teilekataloge oder Serviceplattformen integrieren und bieten Werkstätten wie auch Kunden echten Mehrwert.
Daten werden zur treibenden Kraft im Aftermarket
Die Zukunft des Aftermarkets liegt in der intelligenten Nutzung von Daten – nicht nur zur Marktbeobachtung, sondern als Grundlage für konkrete Entscheidungen im Vertrieb, im Einkauf und in der Kundenbindung. Wer heute beginnt, mit Echtzeitdaten zu arbeiten, schafft sich klare Wettbewerbsvorteile. Für Werkstätten bedeutet das mehr Effizienz und höhere Umsätze, für den Teilehandel gezieltere Sortimente und ein tieferes Marktverständnis. Der Schlüssel liegt in der Kombination aus Technik, Transparenz und echter Partnerschaft zwischen Handel, Service und Datenanbietern. HAR