Der IAM spielt eine essenzielle Rolle im europäischen Mobilitätssektor. Während Neufahrzeuge und deren Vertrieb häufig im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, bleibt der Ersatzteilmarkt oft unbeachtet – dabei stellt er sicher, dass Fahrzeuge langfristig funktionstüchtig bleiben. Eine Analyse von Roland Berger in Zusammenarbeit mit FIGIEFA sowie Interviews mit führenden Branchenvertretern zeigen, wie sich der IAM weiterentwickelt und welche Maßnahmen notwendig sind, um seinen Stellenwert innerhalb der Automobilbranche zu festigen.
Ein Wirtschaftszweig mit erheblicher Tragweite
Die Automobilindustrie gehört mit einer jährlichen Bruttowertschöpfung von über 2 Billionen Euro zu den wichtigsten Sektoren Europas. Innerhalb dieser Branche stellt der IAM die Einsatzfähigkeit der Fahrzeuge sicher – insbesondere jener 70 %, die älter als vier Jahre sind. Der europäische Markt für Kfz-Ersatzteile hat einen Wert von 118 Milliarden Euro, wobei rund 73 Milliarden Euro auf den Mehrmarken-Ersatzteilmarkt entfallen. Dennoch wird seine Relevanz häufig unterschätzt, obwohl er sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich eine Schlüsselrolle spielt.
Vier zentrale Beiträge des IAM zur europäischen Wirtschaft
Der IAM trägt in mehreren Bereichen zur Stabilität und Weiterentwicklung des Europäischen Wirtschaftsraums bei:
1. Unterstützung der Automobilbranche
Neben der Fahrzeugproduktion ist der IAM ein bedeutender Umsatzträger für Zulieferer und ermöglicht es Tier-1-Herstellern, Innovationen für kommende Fahrzeuggenerationen zu finanzieren. Die steigende Nachfrage nach Ersatzteilen unterstreicht die Bedeutung des IAM, vorwiegend angesichts der Tatsache, dass Fahrzeughersteller die Anzahl ihrer autorisierten Händler reduziert haben. Während die Zahl der Vertragshändler seit 2010 deutlich zurückging, konnte der IAM die Anzahl seiner Servicestellen europaweit weiter ausbauen.
2. Stärkung der industriellen Leistungsfähigkeit
Ein funktionierender Straßentransport ist für den Europäischen Wirtschaftsraum unerlässlich. Der IAM spielt hierbei eine entscheidende Rolle, indem er eine zuverlässige Wartung und Reparatur von Nutzfahrzeugen sicherstellt. Während der COVID-19-Pandemie war dies besonders relevant, um essenzielle Dienstleistungen wie Gesundheitswesen, Sicherheit und Logistik aufrechtzuerhalten. Berechnungen zeigen, dass der IAM durch seine effiziente Ersatzteilversorgung und Werkstattleistungen die Betriebszeit von Fahrzeugen erheblich verlängert und damit die Gesamtleistung der europäischen Nutzfahrzeugflotte steigert.
3. Sicherstellung der individuellen Mobilität
Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Europa ist auf das Auto angewiesen. Über 85 % der gesamten Personenkilometer entfallen auf Pkw, insbesondere in ländlichen und suburbanen Regionen. Rund zwei Drittel der Arbeitnehmer nutzen das Auto für den Arbeitsweg. Ein flächendeckendes Netz an unabhängigen Werkstätten gewährleistet, dass Wartung und Reparaturen bezahlbar bleiben und die individuelle Mobilität für Millionen von Menschen erhalten bleibt.
4. Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung
Neben wirtschaftlichen und sozialen Aspekten trägt der IAM auch erheblich zur Umweltentlastung bei. Der Sektor sorgt dafür, dass Fahrzeuge mit den neuesten Emissionstechnologien ausgestattet werden, fördert Kreislaufwirtschaftskonzepte und verlängert die Lebensdauer bestehender Fahrzeuge – was die CO₂-Bilanz positiv beeinflusst. Zudem nimmt der Anteil wiederaufbereiteter Ersatzteile stetig zu: Viele Großhändler verkaufen bereits über 10 % ihrer Komponenten als runderneuerte Teile, und der Marktanteil dieser Produkte wächst kontinuierlich.
Neupositionierung des IAM als Vehicle Lifecycle Solutions Sector
Die zentrale Bedeutung des IAM für Wirtschaft und Gesellschaft sollte deutlicher hervorgehoben werden. Eine Möglichkeit wäre eine gezielte Neupositionierung des Sektors. Die Bezeichnung „Vehicle Lifecycle Solutions Sector“ würde verdeutlichen, dass es nicht nur um Ersatzteile geht, sondern um umfassende Lösungen für die gesamte Lebensdauer eines Fahrzeugs. Eine solche Anpassung könnte die Sichtbarkeit des IAM innerhalb der Automobilindustrie erhöhen und eine stärkere Beteiligung an wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen ermöglichen.
Fazit
Der IAM ist weit mehr als eine Ersatzteilversorgung für ältere Fahrzeuge. Er stärkt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Europas, sichert individuelle Mobilität, fördert nachhaltige Lösungen und trägt zur Reduzierung von Emissionen bei. Eine Neupositionierung als „Vehicle Lifecycle Solutions Sector“ könnte dazu beitragen, diesen essenziellen Sektor angemessen in den Fokus der Industrie und Politik zu rücken. Quelle: Roland Berger