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Interview mit Stephan Westbrock

Veröffentlicht am 16.05.2017

Regionale Verantwortung – zentrale Unterstützung – Interview mit Stephan Westbrock, Vorstand der Select AG. Schon seit mehreren Jahren wird die Entwicklung des Teilehandels in Deutschland nicht nur durch einen anhaltenden Konsolidierungsprozess, sondern auch eine wachsende Bedeutung des Internets als Einkaufsquelle geprägt. Im Rahmen des diesjährigen ASP-Kongresses sprachen wir in Stuttgart mit Stephan Westbrock, Vorstand der Select AG, über die sich daraus ergebenden Herausforderungen für den mittelständischen Teilehandel.


Herr Westbrock, in Ihrem Xing-Profil findet man folgendes Zitat: „Heute, ist morgen schon wieder gestern!“ Gilt dies aus Ihrer Sicht auch für den Teilehandel?

Stephan Westbrock: Auf jeden Fall. Wenn wir uns die Entwicklung der letzten Jahre ansehen, dann müssen wir feststellen, dass die Konzentrationszyklen und andere einschneidende Veränderungen die Branche in immer kürzeren Abständen erreichen und verändert haben.

Können Sie Beispiele nennen?

Nehmen Sie den anhaltenden Konsolidierungsprozess, der letztlich immer größere Marktteilnehmer erfasst hat. Firmen, die eben noch selbst als übernehmendes Unternehmen agierten, wurden plötzlich selbst Teil einer größeren Einheit. Doch dies ist nur ein Phänomen. Ein anderes ist die Internationalisierung unseres Marktes, die sich durch die digitalen Medien immer weiter beschleunigt hat. Und dadurch tauchen auf einmal nicht nur bekannte internationale Größen, sondern ganz neue Anbieter wie Amazon oder eBay als Wettbewerber auf.

Sie stehen nun für den mittelständischen, den in weiten Teilen familiengeführten Teilehandel. Hat dieser ernsthaft noch eine Chance in diesem Rahmen zu überleben?

Stephan Westbrock: Daran habe ich keine Zweifel, was letztlich die Entwicklung der Select AG ja auch zeigt. Erlauben Sie mir, hier auf das von Ihnen angeführte Zitat zurückzukommen. Um erfolgreich im Markt zu bestehen, sollten wir uns nicht mit dem Gestern beschäftigen, sondern Antworten auf die Herausforderungen von Morgen finden und umsetzen. Ich denke, da sind wir mit der Select AG nicht schlecht aufgestellt.

Woran machen Sie das fest?

Als die Unternehmen Busch aus Freiburg, Glas aus Eggenfelden und Leise aus Coburg zum Jahresbeginn 2000 die Select AG gegründet haben, war das Ziel, eine Einkaufskooperation zu schaffen, auf deren Grundsätze sich alle Partner verlassen können, ein noch neuer Gedanke. Der Anspruch war Transparenz in allen Bereichen, geringe Kostenstruktur, klare einheitliche Sortiments- und Lieferantenfestlegungen, direkte Zusammenarbeit mit der Industrie, einheitliche Konditionen und Preise, gemeinsame Entwicklung und Umsetzung von Projekten sowie eine Kostenumlage bei gemeinsamen Projekten. 17 Jahre später können wir feststellen, dass sich dieser Weg bewährt hat.

Weil aus den ehemals drei mittlerweile 15 Aktionäre geworden sind?

Das ist eine Entwicklung, über die wir uns sehr freuen. Sie zeigt, dass wir für Unternehmen unterschiedlicher Größe klare Vorteile bieten. Ein wichtiger Grund ist sicher, dass wir Volumen im Einkauf konsequent bündeln und so eine Alternative zur Aufgabe der unternehmerischen Selbstständigkeit bieten. Ich denke gerade die kürzlich getroffenen Entscheidungen der Unternehmen Hess und Knoll, Aktionäre der Select AG zu werden, haben dies erneut bestätigt.

Doch reicht die Bündelung von Einkaufsvolumina auf Dauer aus?

In einem sich konsolidierenden Markt spielen Einkaufskonditionen natürlich eine wichtige Rolle bei der Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit. Doch das allein reicht nicht aus, was ja ein Blick auf die von mir vorhin erwähnten Möglichkeiten zeigt, die die Select AG ihren Aktionären nicht erst seit heute bietet.

Nehmen Sie den immer wichtigeren Transfer von technischem Fachwissen, der mit einzelnen Systemen oder Teilen verbunden ist. Das heißt, dass wir den Werkstätten immer mehr Wissen zur Verfügung stellen müssen. Hinzu kommen neue IT-Systeme für den Arbeitsalltag im Teilehandel, die Unterstützung im Marketing und Vertrieb und andere Dinge. Gerade im IT-Bereich wachsen die Anforderungen kontinuierlich und Investitionszyklen verkürzen sich. Die Select AG steht für innovative Konzepte, mit denen alle Teile der Wertschöpfungskette optimiert und maximiert werden: von der Kundengewinnung durch effektives Marketing über die intelligente Autoteilebestellung über das Internet bis hin zur umweltschonenden Entsorgung.

Der neue Aktionär Hess betreibt mit Motoo ein eigenes Werkstattsystem. Was bedeutet dies für die von der Select AG bereits angebotenen Werkstattsysteme AUTO SERVICE PARTNER, AutoExcellent und MotoCrew?

Da durch Select die unternehmerische Selbstständigkeit der Aktionäre nicht infrage gestellt wird, werden auch die Werkstattsysteme nicht infrage gestellt. Jeder unserer Aktionäre ist ja weiterhin Unternehmer und kann auch seine eigenen Entscheidungen treffen. Hess hat seinerzeit Motoo ins Leben gerufen und regional verortet. Wir haben keinen Zugriff auf die Marken unserer Aktionäre. Wo es Synergien geben wird, ist hinter der Marke, beispielsweise im Bereich der Kundenersatzfahrzeuge. Solche Aufgaben können zukünftig zentral erledigt werden.

Hat das Wachstum der Select AG auch Auswirkungen auf Ihre Sortimentsstruktur?

Zunächst ist eine Sortimentsstruktur nicht in Stein gemeißelt, sondern in ihrer Zusammenstellung und Entwicklung immer von verschiedenen Faktoren wie der Qualität, der Lieferfähigkeit, dem Preis oder der allgemeinen Angebots- und Nachfragesituation abhängig. Und deshalb schauen wir aktuell auch genau hin, wie wir unsere Sortimentsstruktur bei der jetzt erreichten Größe weiterentwickeln. Insgesamt werden wir sicherlich in manchen Bereichen Anpassungen vornehmen. Grundsätzlich haben wir dabei ein Ziel ins Visier genommen: Bis 2020 soll jeder unserer Select-Aktionäre auf Werkstatt-Anfragen zu Produkten des Independent Aftermarktes, also IAM-Teilen, sagen können: Kann ich meinen Kunden bieten!

Erlauben Sie dennoch eine Nachfrage. Die Aussichten für lokale Teilegroßhändler sind laut einer aktuellen Studie nicht rosig. Demnach erwarten rund 70 Prozent der lokalen Teilegroßhändler aufgrund des intensiven Wettbewerbs in den nächsten fünf Jahren sinkende Roherlöse. Dies könnte eine weitere Zentralisierung zur Folge haben.

Das Bestehen am Markt wird sicher nicht einfacher. Doch das war auch schon im Jahr 2000 der Fall, was letztlich zur Gründung der Select AG geführt hat. In der heutigen Welt wird schnell von Zentralisierung als Allheilmittel für alle Herausforderungen gesprochen. Wir sehen das anders und glauben an die Kombination aus lokaler Verantwortung, Unternehmertum vor Ort und zentraler Unterstützung, um die Wettbewerbsfähigkeit vor Ort zu sichern. Diesen Weg beschreiten wir seit 17 Jahren mit großem Erfolg. Wir agieren am Markt und warten nicht bis wir zum Reagieren gezwungen werden. Wir stellen uns in den Dienst unserer Partner, denken als Unternehmer und sind kompromisslos, was die Qualität der Produkte und Services betrifft, um jeden Tag ein bisschen besser zu werden.

Jeden Tag besser werden ist ein Stichwort: Auf welche weiteren Entwicklungen und Dienstleistungen können sich Ihre Partner einstellen?

Wir haben unseren diesjährigen ASP-Kongress unter das Motto „Wir begleiten Sie in die Zukunft“ gestellt. Diese Zukunft wird – wie vorhin bereits kurz angeschnitten – natürlich besonders in den digitalen Herausforderungen und Chancen deutlich. Deshalb ist es für die Select AG auch weiterhin ein Schwerpunkt, in diesem Bereich aktiv zu sein. Auf diesem Kongress haben wir einen ersten Ausblick auf unsere neue Plattform Select Connect gegeben, auf der innovative Leistungsbausteine und IT-Dienstleistungen gebündelt und vernetzt werden. Dazu wird nicht nur der AutoTeilePilot, der Schulungspilot sowie die MesseWelt, sondern perspektivisch auch der WerkstattAbrechnungsPilot gehören. Die Systeme von Select Connect dienen zur Optimierung der Arbeitsprozesse und –abläufe in der Werkstatt. Auch dies bleibt in der Zukunft ein wichtiges Thema.


 

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